„Ich bin ein Dinosaurier des Boxsports
12.02.2012 12:14 Uhr
Der Boxsport ist die Leidenschaft von Gusti Strobl
Von Ruedi Zuppinger – Stadtanzeiger Kloten 9. März 2012
Seit mehr als 50 Jahren engagiert sich der in Kloten wohnhafte Gusti Strobl für den Boxclub Zürich.
Wenn man die Wohnung betritt, deutet im ersten Moment nichts darauf hin, dass Gusti Strobl eng mit dem Boxsport verbunden ist. Doch dann fällt der Blick auf den an der Wand aufgehängten Boxhandschuh, was in einem Haushalt ein nicht alltägliches Requisit ist, und Gusti Strobl liefert spontan die Erklärung dazu: „ Ich habe ihn 1991 von Fritz Sdunek erhalten, als die deutsche Nationalmannschaft im Höhentraining in St. Moritz weilte. Dieser Sdunek gewann in seiner von 1963 - 72 dauernden Karriere 99 von 129 Kämpfen und ist nach seiner Aktivzeit zu einem der besten Trainer Deutschlands geworden. Er trainiert immer noch den Schwergewichts-weltmeister Vitali Klitschko und den Mittelgewichtsweltmeister Felix Sturm. Es ist also nicht einfach irgendein Boxhandschuh."
Gusti Strobl (r.) beim 38. Chemie-Pokal in Halle mit Startrainer Ulli Wegner |
Vom Fliegengewicht zum Trainer
Da hat Gusti Strobl zweifellos Recht. Er selbst ist ja auch nicht ein gewöhnlicher Boxfan, sondern ein Fachmann voller Leidenschaft, Kompetenz und Jahrzehnte langer Erfahrung. Aufgewachsen in München, trat er in jungen Jahren der Abteilung „Ringen" des Sportclubs Armin 1893 München e.V. bei. Bald wechselte er innerhalb des polysportiven Vereins in die Boxabteilung, vergass aber seine berufliche Ausbildung nicht.
Er absolvierte eine Lehre bei der Post und wurde im Alter von 18 Jahren vereidigter Postbeamter. Im Jahre 1958 übersiedelte er nach Zürich. Den erlernten Beruf konnte er hier nicht ausüben, hingegen fand er beim COOP eine Stelle und war schliesslich 38 Jahre lang als Disponent Einkauf tätig. Der sportliche Übergang verlief mit dem Eintritt in den Boxclub Zürich reibungslos. Seine Karriere als Fliegengewichtler dauerte zwar nur kurz, da er unter Asthma zu leiden begann, aber deswegen das Handtuch zu werfen kam für ihn nicht in Frage.
Der damalige Präsident Karl Raess meinte zu ihm, so könne er nicht aufhören, er solle in die Gilde der Trainer wechseln. Gusti Strobl befolgte den Rat, schloss die Ausbildung in Magglingen mit ausgezeichnetem Resultat ab und trat bereits mit 23 Jahren sein Amt an. Er war sich von Anfang an der Verantwortung gegenüber den Sportlern, die er betreute, bewusst: „ Man muss Kenntnisse über Trainingsplanung und -aufbau verfügen, technisch- taktisch auf der Höhe sein und psychologisches Geschick besitzen. Das letztere ist besonders wichtig, denn im Boxsport läuft keiner als Zweiter durchs Ziel und wird noch bejubelt. Man ist entweder Sieger oder im wörtlichen Sinn geschlagen worden. Also spielt eine erfolgreiche Kampfgestaltung eine grosse Rolle, die sich stets innerhalb der engen Reglemente zu bewegen hat. Zudem muss man dem jungen Mann aufzeigen, dass Schule und Beruf das wichtigste sind und der Sport eine schöne Nebensache ist."
Man muss einen Kampf lesen können
Der Erwerb des Trainerdiploms hiess für Gusti Strobl nicht, sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Seit 1971 besucht er internationale Turniere. In jenem Jahr brachte er den Schweizermeister Erich Hasler an die vorolympischen Spiele nach München. Die Kämpfe fanden im Haus des Zirkus Krone statt. Es kamen Teams aus Russland und Ländern, die man sonst im Westen nie sah. Gusti Strobl sass vorne am Ring und da hatte er ein eindrucksvolles Erlebnis: „ Zwei Boxer aus dem Ostblock standen sich gegenüber. Neben mir sass ein Offizieller, der in der zweiten Runde mit den Worten aufstand, jetzt könne er getrost seinen Kaffee trinken gehen, sein Mann kenne keine Angst mehr und werde gewinnen. So geschah es und ich bekam die Bestätigung, dass man einen Kampf auf Grund des Verhaltens und der Körpersprache tatsächlich lesen kann."
Solche Kenntnisse flossen seither stetig in die Trainertätigkeit von Gusti Strobl ein und kamen damit auch seinem Club zugute, der im Jahre 1989 sogar deutscher Oberligameister wurde. Das war damals möglich, weil man eine Kampfgemeinschaft mit dem Boxclub Singen einging und da die fünf Boxer vom Zürcher Club eine deutsche Lizenz besassen, war dieser Triumph absolut regelkonform.
Unermüdlich im Einsatz
Gusti Strobl ist für den Verein und den Verband absolut Gold wert. In all den Jahren versah er die verschiedensten Funktionen. Er führte die in der Schweiz als Trainer- WK geltenden Kurse in Filzbach ein, amtete 17 Jahre lang als Clubpräsident und war über viele Jahre geschätzter Trainer, der stets für seine Schützlinge da war, von ihnen aber auch hartnäckig Leistung und Einsatz forderte, was ihm wohl nicht zu Unrecht den Spitznamen "Terrier" eintrug. Für den Schweizerischen Boxverband, für den er 13 Jahre lang Präsident der technischen Kommission war, baute er die Datenbank auf, verbesserte alle bestehenden Reglemente und koordinierte die Meisterschaften.
Er hat sich unermüdlich in die Dienste des seit 78 Jahren existierenden Boxclubs Zürich gestellt, der der grösste in unserem Land ist und über 450 Mitglieder zählt, wovon rund 100 Frauen sind. Es ist nicht Zufall, dass man in der Vergangenheit zwölfmal Mannschaftsmeister wurde. Dazu kommen unendlich viele Einzeltitel, die zum Beispiel Erich Hasler, Herbert Stoffel, Fredi Schmid, Boris Dürst, Thomas Marthaler, Nikola Vujasinovic, Alain Milosevic, Linda Tissot und Claudia Schindler errangen.
Der 73jährige Gusti Strobl geht es mittlerweile etwas ruhiger an, was bei seinem Naturell und seiner Begeisterung keineswegs Untätigkeit bedeutet. Nach wie vor erledigt er die gesamte administrative Arbeit im Trainingsbereichfür den Boxclub, pflegt die Kontakte zu den Behörden, leitet Kurse und trifft Kollegen. Immer wieder besucht er auswärtige Turniere, an die er dann von seiner Frau begleitet wird, wenn er noch ein paar Ferientage anhängt. Vor zwei Jahren war er nach Mailand an die WM gereist und hatte sich in elf Tagen 450 Boxkämpfe angesehen, ohne Ermüdungserscheinungen. Jetzt freut er sich bereits auf den Monat März, auf das Turnier in Halle an der Saale. Er wird wie gewohnt ganz vorne am Ring sitzen, wenn Olympiasieger gegen Weltmeister in der gleichen Gewichtsklasse gegeneinander antreten. Um die hundert Kämpfe wird er sich zu Gemüte führen. Es werden mit Bestimmtheit nicht die letzten für Gusti Strobl sein.