Sofiane Sebihi knockt in Genf starken Weissrussen aus

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30.04.2012 09:58 Uhr

Bericht von Gérald Kurth (Text) und Christian Heinzer (Fotos, christian.heinzer@bluewin.ch)

30.04.2012 - Der Auftritt des Genfers Sofiane Sebihi wurde zum erhofften überzeugenden Ausrufezeichen unter einen gelungenen Kampfabend im Genfer Hôtel Ramada Encore: Der keineswegs als Fallobst angereiste Weissrusse Artsiom Salomka wurde in der fünften Runde von seinem Trainerduo zurecht aus dem Kampf genommen, als er nach einer knackigen Rechten Sebihis benommen ins andere Ringeck taumelte.

Mit zunehmender Kampfdauer wurden Sebihis (r.) schnörkellose Kombinationen zwingender 

Zuvor hatte ihn Ringrichter Fabian Guggenheim nicht angezählt, weil Salomka nicht zu Boden gegangen war. Es war aber absehbar, dass der K.O. bei einer Fortsetzung des Kampfes schlimmer ausgefallen wäre.

Das Genfer Publikum erlebte einen vom Boxing Club Genevois tadellos organisierten und atmosphärisch stimmigen Kampfabend. Das war beileibe nicht selbstverständlich: Angesichts der kurzfristigen Absage der ursprünglich angesetzten Profikämpfe von Aniya Seki und Walid Abderrahman wäre ein gewisser Unmut seitens des Publikums durchaus nachvollziehbar gewesen, obwohl die Veranstalter daran keine Schuld trugen. Die anwesenden Zuschauer fühlten sich aber keineswegs geprellt und genossen das vom BC Genevois unter Präsident Ilario Luongo und Chefcoach Samir Hotić gebotene Restprogramm umso mehr.
 

Die Profikämpfe

Sofiane Sebihi (CH) vs. Artsiom Salomka (BLR)

Der ursprünglich aus Algerien stammende Lokalmatador Sofiane Sebihi betrat den Ring als frischgebackener IBF-Titelträger, nachdem er im Februar in Florenz den starken Albaner Vigan Mustafa ausgeknockt hatte. Damit unterstrich er seine Ambitionen auf einen baldigen europäischen Titelkampf. Beide Boxer begannen einen durchwegs fair geführten Kampf auf Augenhöhe. Während Sebihi konsequent nach vorne arbeitete und seine Angriffe mit präzisen Jabs vorbereitete, verrichtete der Russe exzellente Fussarbeit und schlug regelmässig aus der Rückwärtsbewegung harte Hände. Zu Beginn gelang es ihm, sich Sebihis grösserer Reichweite einigermassen unbeschadet zu entziehen. Mit zunehmender Kampfdauer wurden aber Sebihis schnörkellose Kombinationen zwingender, und Salomka konnte keine harten Konter zu Kopf oder Körper mehr landen. Die absolute Fairness, die beide Boxer auszeichnete, war auch ein Produkt der eigentümlichen Kampfweise Sebihis: Dieser strahlt eine ungemeine Freude an seiner Arbeit am Gegner aus, ohne je despektierlich oder unkontrolliert zu wirken, geschweige denn Mätzchen zu produzieren. Sebihi boxt mit demselben sorgfältig-liebevollen Gesichtsausdruck, als würde er eine gelungene Torte mit seiner ganz persönlichen Verzierung krönen. 

Diese Leichtigkeit im Ring liess gerade gegen Salomka vergessen, dass der Weissrusse beileibe kein schwacher Gegner war, sondern eine einwandfreie technische Schulung verriet war und enorm hart schlug - wenn er denn dazu kam... In der fünften Runde wäre er aber womöglich schwer getroffen worden, wenn ihn seine Coaches nicht per Handtuchwurf aus dem Kampf genommen hätten. Sebihi steht mittlerweile bei 19 Siegen nach 22 Kämpfen im Profilager. Bringt er noch mehr Dampf in seine rechte Schlaghand und verbessert seine Beweglichkeit, dann ist da durchaus noch Luft nach oben...

Ruft noch längst nicht sein ganzes Potenzial ab: Enes Zećirević (l.) 

Enes Zećirević (CH/BiH) vs. Gábor Zsálek (UNG)

Der beim BC Rheintal beheimatete Bosnier Zećirević machte kurzen Prozess mit seinem - diesmal im Gegensatz zu früheren Schweizer Gastspielen sichtlich austrainierten -  Gegner aus Ungarn: Schon in der zweiten Runde feuerte der Rheintaler einen gewaltigen rechten Körperhaken, der Zsálek gefechtsunfähig machte. Obwohl der Schlag nicht auf die Leber ging, war der Ungare nicht in der Lage, den Kampf fortzusetzen. Das spektakuläre und schnelle Ende des Kampfs liess für einen Moment vergessen, dass Zećirević noch längst nicht sein ganzes Potenzial abruft: Zu sehr auf seine fürchterliche Schlagkraft vertrauend, gibt er bei Schlägen über die Aussenbahn in der Mitte ein leicht zu treffendes Ziel ab. Wenn er seine Deckung kompakter gestaltet und zudem fleissiger Fussarbeit leistet, dann wird er auch gegen Gegner bestehen, die von anderem Kaliber als der Journeyman Zsálek sind.
 

Die Amateurkämpfe

57 kg:

Julien Calvete (BCG) vs. Abdou Weber (Elsässer Auswahl, FRA)

Beide Boxer legten sofort los wie die Feuerwehr. Der von einem lautstarken Publikum unterstützte Genfer Calvete drängte den Franzosen mit hoher Schlagfrequenz und Variabilität in die Defensive. Weber behielt aber auch unter Druck seine Übersicht und konterte Calvete regelmässig ab. Die beiden technisch beschlagenen Kämpfer gingen über die vollen drei Runden ein hohes Tempo. Für die Zuseher entwickelte sich deshalb ein höchst attraktiver Kampf, den der Genfer letztlich mit 3:0 Richterstimmen deutlich und verdient zu seinen Gunsten gestalten konnte. Calvete wird aber gut daran tun, nach seinen Schlagsalven oder überraschend als Crosses abgefeuerten einzelnen Rechten seine Deckung wieder hochzuziehen. Wenn er auf einen Gegner trifft, der sich nicht zum Schlagabtausch und zur Abnützungsschlacht hinreissen lässt wie der Elsässer, lädt er mit seinem ungestümen Offensivdrang allzu oft zu leichtes Kontern ein. 

 Julien Calvete vs. Abdou Weber  Yasmine al-Abshihy vs. Naomi Gertsch

Yasmine al-Abshihy (BCG) vs. Naomi Gertsch (BC Rheintal)

Ein sehr fairer und ansehnlicher Frauenkampf, der in der letzten Runde noch eine überraschende Wendung nahm. Die ersten beiden Runden konnte die Einheimische al-Abshihy klar für sich verbuchen. Sie war viel runder und beweglicher unterwegs als die Rheintalerin, die sich etwas zaghaft hinter der Deckung verbarg und auch eckig wirkte. Die Genfer Rechtsauslegerin stach mehrfach präzis mit ihrem Jab zu, auch aus der Rückwärtsbewegung und verschuf sich damit ein solides Punktepolster. Das war nötig, denn in der dritten Runde drehte die zuvor sichtlich pumpende Gertsch den Kampf überraschend und dominierte nun das Geschehen. Obwohl sie die letzte Runde nach Punkten für sich entscheiden konnte und sich beherzt zurückgekämpft hatte, werteten die Punktrichter den Kampf insgesamt gerecht mit 3:0 für die Einheimische.

Der Kampf zwischen Bourhana Abdousmed (l.) und Daniel Egbide endete unentschieden

64 kg:

Daniel Egbide (BCG) vs. Bourhana Abdousmed (Elsässer Auswahl, FRA)

Der mit vielen Vorschlusslorbeeren bedachte Einheimische Egbide lieferte diesmal eine für seine Möglichkeiten durchschnittliche Vorstellung ab. Zwar landete er gleich zu Beginne einige gute rechte Schwinger und bewegte sich leichtfüssig an den Gegner heran. Doch der Elsässer Abdousmed war ebenso gelenkig und schlug gleich hart wie Egbide. Weil keiner der beiden wirklich gezielte Aktionen abschliessen konnte, entwickelte sich deshalb im Kampfverlauf eine wenig ansehnliche Keilerei, die einzig durch zahlreiche Klammereinlagen aufgelockert wurden. Der Kampf wurde zu recht mit Unentschieden gewertet, weil keiner der beiden wirklich zielführende Aktionen abschliessen und so Punkte sammeln wollte.
 

67 kg:

Adeel Anwar (BCG) vs. Mesi Mbemba (Elsässer Auswahl, FRA)

Ein attraktiver Kampf, der leider nicht über die volle Distanz ging. Coach Hotić musste seinen Schützling Anwar in der zweiten Runde zu recht durch Aufgabe schützen, als dieser verteidigungsunfähig an den Seilen lehnte. Zuvor hatten die beiden Kämpfer aber Schnelligkeit, Variabilität und Schlaghärte geboten. Sogar eine Tanzeinlage wurde zum Besten geboten: Anwar versuchte den Elsässer zu provozieren, indem er die tänzerische Showeinlage Mbembas zur allgemeinen Belustigung von Trainern und Publikum umgehend imitierte. Vielleicht beraubte er sich damit selbst der nötigen Konzentration. Denn danach traf sein präziser Jab nicht mehr ins Ziel, mit dem er gegen den eigentlich über Reichweitenvorteile verfügenden Elsässer immer wieder präzis über dessen Deckung zustach.
 

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