Geschlagen, gedemütigt und ausgebuht

«Zurück

06.11.2012 10:09 Uhr

Marco Huck: Verprügelt im eigenen Wohnzimmer 

Halle/Westfalen –  Marco Huck sprang in Siegerpose in die Seile seiner blauen Ringecke. Der alte und neue Cruisergewichts-Weltmeister nach Version ahnungsloser Punktrichter wollte sich feiern lassen. Trotz der bescheidenen Leistung gegen die Kampfmaschine Firat Arslan. Marco Huck wollte nicht wahrhaben, dass er an diesem Abend kein Held war. Und dann brach in seinem Wohnzimmer die Hölle los. 

Tat aus Sicht vieler Zuschauer mehr für den Sieg: Firat Arslan (r.)

„Geh dort runter. Das hast du nicht verdient“, brüllte ein Typ im schnieken Anzug aus der dritten Reihe direkt am Ring mit überkippender Stimme. „Ich bin Bielefelder und schäme mich für dich.“ Seine bestimmt 25 Jahre jüngere Event-Trophäe im Mini-Mini-Kostümchen versuchte, den ausrastenden VIP-Gast festzuhalten. Doch der krakeelte weiter: „Verzieh dich in die Kabine, versteck dich in der Ecke. Eine Schande war das.“ 

Zumindest der letzte Satz war ein Volltreffer. Applaus der Umstehenden. Dann ein donnernder Chor aus Buhrufen und Pfiffen. 

Mal ganz nüchtern: Schon die 115:113-Urteile (sieben zu fünf Runden für Huck) zweier Punktrichter waren ein Witz. Die 117:111 des Italieners Giustino di Giovanni gehen in die Richtung des Tatbestandes Sportbetrug. 

Es hätte nur einen Sieger geben dürfen. Den 42-jährigen Arslan, der den Kampf seines Lebens lieferte, dem 15 Jahre jüngeren Huck das Gesicht zerbeulte, serienweise Aufwärtshaken ins Ziel brachte und den Champion teilweise aussehen ließ wie ein Reh im Scheinwerferlicht. 

Huck machte in der ersten Kampfeshälfte alles falsch. Unbeweglich, lethargisch, kraft- und hilflos. War ja auch kaum vorhersehbar, dass Arslan wie ein tollwütiger Bulle seine Chance suchen würde ... 

Ab Runde sieben entdeckte Huck wenigstens sein Kämpferherz, aber insgesamt war es trotz der Steigerung niemals genug, um das Ding noch zu drehen. 

Warum nur, das ist die große Frage? Trainer Ulli Wegner, der das Urteil nicht kommentieren wollte, und damit alles sagte, macht seinem Boxer knallharte Vorwürfe: „Marco hat taktisch schlecht geboxt. Das macht mich verrückt. Im Training lief alles gut, er hatte perfekte Sparringspartner. Und dann ist alles weg.“ 

Schon im vorherigen Duell beim Unentschieden gegen den Britten Ola Afelabi wirkte Huck unkonzentriert und instabil. 

Ist ihm der Ruhm zu Kopf gestiegen? Fehlt ihm plötzlich das unbedingte Wollen? Hat ihm sein starker Schwergewichts-Auftritt gegen Powetkin und der Traum von Klitschko-Kämpfen den Kopf verdreht? 

Marco Huck kann viel mehr als er gegen Arslan zeigte. Aber um das im Ring wieder abzurufen, muss der in Bielefeld (keine 20 Kilometer von der Arena in Halle/ Westfalen) aufgewachsene Boxer die bitteren Lehren aus der Demütigung im eigenen Wohnzimmer ernst nehmen. 

In der Kabine des Punktrichter-Champions herrschte direkt nach dem Kampf eine Stimmung wie bei einer Beerdigung. Nur eine TV-Kamera, kein einziger Gratulant, null Jubel, Krisengeflüster und weghuschende Gestalten. 

Irgendwann klingelte Hucks iPhone. Mama rief an. Sie freute sich, dass es ihrem Jungen trotz der Blessuren im Gesicht gutging. Und dass er weiter Weltmeister ist. Mama darf das. Mama darf sich freuen. 

Aber jeder, der Marco Huck auch nur ein bisschen mag, muss ihm klarmachen, dass es so nicht weitergeht. Und dass er Firat Arslan eine sofortige Revanche geben muss. – Berliner Kurier

 

  

Sponsoren

Partner