Boss & Menasria triumphieren in mitreissenden Fights

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02.04.2013 07:17 Uhr

Riad "L'artiste" Menasria (l.) und  der Kroate Nikola Matić zeigten dem Publikum einen tollen Fight

02.04.2013 - „L’artiste“ setzte das Ausrufezeichen unter einen gelungenes Osterboxmeeting der Berner Box Academy in Ostermundigen: Der Berner Riad Menasria rang im sehenswerten, mit hoher Intensität geführten Kampf den zähen Kroaten Nikola Matić letzlich eindeutig nach Punkten nieder. Der Niveauunterschied zwischen den beiden Superweltergewichtlern war dabei jedoch geringer, als es die deutliche Punktewertung zugunsten Menasrias suggerierte. Im Frauenprofikampf hatte zuvor schon Lokalmatadorin Nicole Boss für ein Highlight gesorgt: In einem spektakulären Abnutzungsgefecht mit höchster Schlagfrequenz bezwang sie vor einem begeisterten Publikum die routinierte Spanierin Loli Muñoz denkbar knapp. Dank ihrer Willensleistung in den letzten zwei Runden war die Split Decision zugunsten der Bernerin letztlich verdient.

Das verantwortliche Organisationsteam der Berner Boxacademy (Sascha Müller, Vito Rana, Savaş Iskender und Sven Losinger) war mit der Wahl des Ostersonntags für die Durchführung ihres Boxevents ein gewisses Risiko eingegangen, nicht zuletzt auch wegen des auf Ostermontag angesetzten Profimeetings in Thun. Die umtriebige Crew wurde aber für ihren Mut und Enthusiasmus belohnt: Ihre beiden Zugpferde entschieden die Profikämpfe zu ihren Gunsten, und auch der Publikumsaufmarsch gestaltete sich höchst erfreulich. Der stimmungsvolle Saal des Kulturzentrums „Tell“ war voll, und das Publikum kam in den Genuss einer tadellos organisierten Kampfschau. Die Berner Boxacademy hat ihren Anspruch nachdrücklich untermauert: Sie hat sich innert kürzester Zeit zu einer soliden Marke auf dem Platz Bern gemausert, wo mehrere Boxveranstalter um die Gunst des Publikums buhlen.

Das Publikum peitschte die kämpferische Nicole Boss (r.) zum Sieg

Die Profikämpfe:

Leichtgewicht

Nicole Boss (Box Academy Bern, CH) vs. Loli Muñoz (ESP)

Die beiden Gegnerinnen haben vor einem Jahr schon einmal in Bern gegeneinander geboxt. Auch damals sah das Publikum einen engen Kampf, der mit einem Unentschieden endete. Boss wusste, dass die leicht negative Kampfbilanz ihrer routinierten Gegnerin nur bedingte Aussagekraft besitzt: Muñoz ist eine Journeywoman, die mehrheitlich im Ausland antritt und u.a. auch schon einen Titelkampf gegen Ex-Weltmeisterin Rola al-Halabi sehr ausgeglichen gestaltete. Der Respekt seitens Nicole Boss war in den ersten Runden denn auch offenkundig: Sie wirkte verhalten und liess die etwas eckig wirkende, aber aufsässig zum Körper arbeitende Muñoz angreifen. Boss liess dabei ganz besonders den Einsatz ihrer Schlaghand vermissen und konnte kaum zwingende Kombinationen abschliessen. Nach der Hälfte des Kampfs lag die Bernerin aufgrund ihrer verhaltenen Kampfgestaltung auf den Punktezetteln dementsprechend zurück. In der zweiten Kampfhälfte wurde aber Muñoz etwas zu übermütig: Sie zollte trotz guter konditioneller Verfassung ihrem hohen Anfangsrhythmus Tribut und wurde von Boss nun zunehmend oben durch die Mitte abgekontert. Die Spanierin musste allerdings nicht über überdurchschnittliche Nehmerqualitäten verfügen, weil Boss die Lücken noch immer zu selten nutzte, um ihre Rechte hart durchzuziehen und sichtbare Schlagwirkung zu erzielen. Als es aber eng wurde, mobilisierte Boss ihre letzten Reserven. Im offenen Schlagabtausch der letzten Runden brachte die Bernerin mehr Hände ins Ziel als die Spanierin, die nun auch zunehmend beim Klammern Luft holen musste. Das zuvor verhaltene Publikum peitschte Boss nach vorne, und diese schaffte es tatsächlich, das Steuer vor der Ziellinie verdientermassen noch herumzureissen. Wie knapp der vorbildlich faire Kampf letztlich ausging, verdeutlicht der Blick auf die Wertung der Punktrichter:

Roger Haug:                      78:74 (Boss)

Corrado Corsi:                  75:77 (Muñoz)

Domenico Gottardi:          77:76 (Boss)

Superweltergewicht

Riad Menasria (Box Academy Bern, CH) vs. Nikola Matić (HR)

Der Aufritt des Berner “Künstlers” machte viel Freude: Menasria führt technisch noch immer eine äusserst feine Klinge. Gleichzeitig hat er während der vergangenen Jahre daran gearbeitet, seinen bisweilen aufblitzenden Hang zum Leichtsinn und entsprechende unnötige Mätzchen zu unterdrücken. Das Resultat war eine sportlich attraktive und insgesamt solide Vorstellung gegen einen harten und nie aufgebenden Gegner. Menasria punktete in den ersten Runden regelmässig mit seinen unnachahmlichen, blitzartigen Jab-Kaskaden. Matić steckte diese aber problemlos ein und schlug fleissig mit. Er punktete meist dann, wenn Menasria seine Angriffe als Kombinationen abschloss und auch die Rechte unterbringen wollte. Überhaupt wurde es für Menasria immer dann gefährlich, wenn er sich auf den Infight einliess, statt den Gegner mit langen Händen und überraschenden Richtungswechseln aus der Distanz auszupunkten. In der sechsten Runde wäre dies beinahe ins Auge gegangen: Menasria kassierte nach klarer Dominanz eine harte Rechte, weil er nach seinem Angriff zu lange in der Halbdistanz verblieb und musste zu Boden. Um sich in die Pause zu retten, rannte er anschliessend seinen Gegner um. In der siebten Runde präsentierte er sich entsprechend vorsichtiger und ruhte sich vorübergehend aus. Der am Auge sichtlich gezeichnete Matić versuchte zwar noch, einen Lucky Punch zu landen, verkeilte sich aber zunehmend in den sicher stehenden Menasria. Der Berner liess nichts mehr anbrennen und entschied einen attraktiven und fairen Fight deutlich und verdient zu seinen Gunsten.

Roger Haug / Corrado Corsi:                        80:72

Domenico Gottardi:                                       78:74

Die Amateurkämpfe

Halbwelter

Nicole von Känel (Box Academy Bern) vs. Rita Cannarile (ASD Boxe Chieri, ITA)

Die einheimische von Känel debütierte erst 2012, bewies aber erneut ihre seither gemachten Fortschritte. Sie behielt fast immer konsequent die festgelegte taktische Marschroute bei und boxte gegen die druckvolle und kleinere Cannarile aus der sicheren Distanz. Dabei punktete von Känel vor allem mit ihren als Kontern geschlagenen Jabs. Weil Cannarile trotz fleissiger Fussarbeit die Distanz kaum je überwinden konnte, um von Känel aus der Nähe zu treffen, konnte sich die Bernerin im Kampfverlauf ein Punktepolster verschaffen. Überzeugend war auch, wie sich von Känel immer konsequent aus der Bedrängnis zu lösen vermochte, wenn Cannarile mal herankommen konnte. Viel zu selten setzte sie allerdings ihren rechten Cross ein, den sie sehr überzeugend schlägt und der bei ihrer Grösse eine ausgezeichnete Waffe wäre. Die Einheimische entschied aber auch so den jederzeit fairen und technisch ansprechenden Kampf eindeutig zu ihren Gunsten.

Welter

Monika Hofmann (Box Academy Bern) vs. Giulia Zanet (ASD Boxe Chieri, ITA)

Hofmann bekundete anfangs sichtlich Mühe mit ihrem Distanzgefühl und bewegte sich eigentümlich phasenverschoben zu den Angriffsbemühungen ihrer Gegnerin. Obwohl sie gegen Zanet über beträchtliche Reichweitenvorteile verfügte, musste Hofmann denn auch den einen oder anderen Treffer ihrer bulligen und agressiven Gegnerin einstecken. Ab Mitte des Kampfes stellte sich die Bernerin aber zusehends besser auf die Kampfanlage ihrer Gegnerin ein und schaffte es, sie auf Distanz zu behalten und ihre langen Hände ins Ziel zu bringen. Zu Beginn der letzten Runde kam Zanet noch einmal wie eine Furie nach vorn, aber Hofmann liess sich nicht mehr beirren und behielt bis zum letzten Gong die Kontrolle. Hofmann verdiente sich den Sieg über die gesamte Kampfdauer und verriet mit ihren runden Bewegungsabläufen einiges Entwicklungspotenzial. Wenn sie in Zukunft etwas konsequenter den Abschluss sucht, kann sie auch gegen stärkere Gegnerinnen mit ihrer Körpergrösse mithalten.

Mike Binggeli (Box Academy Bern) vs. Vladimir Ionescu (ASD Boxe Chieri, ITA)

Der Einheimische hat sämtliche Anlagen, die ihn zu einem ausserordentlichen Boxer befähigen: Schnelligkeit, geschmeidige Motorik, technische Präzision, Punch, Antizipationsvermögen. Umso erstaunlicher war es, dass das Publikum Binggelis Darbietung ebenso wie den klaren Sieg am Ende höchst zurückhaltend aufnahm. Eine mögliche Erklärung könnte darin liegen, dass Binggeli seinen nonchalanten Stil etwas allzu sehr ausreizt. Während drei Runden trabte der Berner jeweils lange mit aufreizend hängender Deckung um Ionescu herum, um diesen dann urplötzlich mit explosionsartigen Kombinationen gegen die Laufrichtung zu überraschen. In anderen Momenten liess er den Italiener schlagen, um sich blitzschnell abzuducken und aus der Ecke zu schälen. Alles grosse Klasse, aber insgesamt in der Wahrnehmung des Publikums offenbar zu sehr Effekt heischend. Dessen Stille während des Auftritts des begabten Einheimischen war unüberhörbar. Entschliesst sich Binggeli hingegen, seine zukünftigen Gegner entschlossener zu boxen, dann kann er auch international sehr weit oben mitmischen. Es wäre diesem grossen Talent und seinen Coaches Vito Rana und Sascha Müller sehr zu wünschen!

Vermochte das Berner Publikum zu begeistern: Kasam Pulaj (r.)

Mittelgewicht

Kasam Pulaj (Box Academy Bern) vs. Giulio Ritucci (ASD Boxe Chieri, ITA)

Pulaj ist ein Garant für harte, aber konsequent faire Kämpfe. Diesmal vermochte der Einheimische das Publikum zu begeistern, weil er den permanent vorwärts marschierenden Ritucci immer wieder knackig abkonterte und dabei viele harte Treffer setzte. Der Italiener erwies sich aber als erstaunlich zäh und schlug immer dann wieder dagegen, als er angeklingelt wirkte. In diesen Augenblicken wollte Pulaj jeweils mit der Brechstange den Knockout erzwingen, statt etwas dosierter, dafür jedoch mit präziser gesetzten Schlägen auch einmal zum Körper die Entscheidung zu suchen. In der dritten Runde wurde auch Pulaj von seinem Gegner überraschend getroffen und musste eine kurze Schwächephase überwinden. Richtig brenzlig wurde es aber nicht mehr, weil Ritucci zuvor zuviel hatte einstecken müssen und Pulaj nicht mehr ernsthaft bedrängen konnte. Der Berner entschied einen intensiven und sauberen Kampf deutlich und verdient zu seinen Gunsten (3:0).

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