Kopylenko und Chervet mit spektakulären K.O.-Siegen in Ascona

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10.06.2013 08:58 Uhr

Bericht von Gérald Kurth (Text) und Isabelle Nguyen (Fotos)

09.06.2013 - Es war ein angesichts des Kampfverlaufs insgesamt ein fast zu frühes Ausrufezeichen, das Vitalij Kopylenko setzte: Nach exakt 2:00 Minuten in der sechsten Runde setzte der für den BC Ascona startende Ukrainer den zuvor kompakt deckenden Serben Vuk Mitić mit einem knallharten Leberhaken k.o. Der Schützling von Promotor und Tessiner Neo-Staatsrat Michele Barra durfte sich anschliessend in der gut gefüllten Palestra Nuova in Ascona von den Fans zurecht feiern lassen: Kopylenko ist nun Titelträger des European External EU Title und steht auch nach 21 Profifights mit blütenreiner Weste dar (21-0-0).

Eine feine Vorstellung bot auch der zweite Tessiner Professional, der an diesem Abend antrat: Riccardo Silva kontrollierte seine bulgarischen Gegner Stanislav Nenkov sicher und punktete diesen über sechs Runden sukzessive aus. Das aus Schweizer Sicht rundum erfolgreiche Profiprogramm rundete der Gastboxer aus Bern ab: Alain Chervet machte noch vor Ende der zweiten Runde kurzen Prozess gegen den bedauernswerten Benjamin Asenov, ein weiterer Bulgare aus dem Stall von Manager Philippe Fondu. Chervet fällte Asenov erst mit einem Leberhaken und legte dann, da der Kampf weiterlief,  eine schmerzhafte Serie nach.

Das temperamentvolle und zahlreich aufmarschierte Publikum bot einen würdigen Rahmen für eine gut organisierte und schnörkellose Kampfschau, die auf Showacts verzichtete und sich auf den Sport konzentrierte. Dem BC Ascona um Präsident und Trainer Marco Franscella gelang mit dem Fokus aufs Wesentliche ein attraktiver Event, der fast ausnahmslos fairen und oft überdurchschnittlichen Boxsport bot. Zum Gesamtbild trugen auch die Tessiner Elite- und Juniorenkämpfer bei, die sich in sechs Vorkämpfen mit den Vertretern einer Piemonteser Selektion massen.

Die Profikämpfe

Weltergewicht

Riccardo Silva (BC Ascona, CH) vs. Stanislav Nenkov (BLG)

Der Asconese hat sich gegenüber seiner Zeit als Amateur körperlich markant verändert: Silva (rechts im Bild) paart die ohnehin überdurchschnittliche Motorik und Schnellkraft nun mit perfekt definierter Muskelmasse. Und diese Kombination war nötig gegen einen Bulgaren, der keineswegs angereist war, um hier als Verlierer aus dem Ring zu kriechen. Im Gegenteil: Nenkov schlug ebenso hart wie Silva. Er bedrängte den Rechtsausleger, indem er konsequent nach vorn marschierte und immer versuchte, diesen abzukontern. Das gelang Nenkov aber nicht wunschgemäss, weil Silva seine lehrbuchmässigen Kombinationen – meist drei Hände, darunter immer wieder perfekte Kopfhaken seitwärts an der Deckung vorbei – konsequent beendete, indem er sich zur Seite raus bewegte und kaum getroffen wurde.



Damit zermürbte er den Bulgaren, obwohl dieser über überdurchschnittliche Nehmerqualitäten verfügte und nie aufsteckte. Dass aber Silvas Jab und die perfekten Kopfhaken Wirkung erzielten, zeigte sich, als Nenkov zunehmend die Brechstange hervorholte und den Einheimischen umhauen wollte. Der antizipierte die Schläge zumeist problemlos und tauchte rechtzeitig weg, so dass Nenkov seine Kraft mit Luftlöchern verpuffte. Nach fünf Runden führte Silva auf sämtlichen Punktezetteln deutlich, und da griff Nenkov in seine ganz besondere Trickkiste, um den Lucky Punch zu landen: Er versuchte, Silva zu provozieren, indem er ihn immer wieder zu sich winkte oder sich gar ins Ringeck lehnte. Die Einlage mutierte allerdings zu eher unfreiwilliger Komik, weil der Kampf zuvor sehr fair gewesen war und es, wenn überhaupt, eher an Silva gewesen wäre, den Bulgaren zur ultimativen Attacke einzuladen. Kurzum: Der Einheimische liess sich nicht verleiten und brachte seinen eindeutigen Punktesieg sicher über die sechs Runden.

Die Wertung:

Beat Hausamman:            60:54

Armin Bracher:                 60:54

Paolo Bolognesi:              59:55
 

Leichtgewicht

Alain Chervet (Boxing Kings, CH) vs. Benjamin Asenov (BLG)

Auch wenn der Gegner ganz offensichtlich nicht über das Format verfügt, um im Profigeschäft auf hohem Niveau mitzuhalten: Alain Chervet (links im Bild) gestaltete seinen fünften Auftritt im Profilager erfreulich. Er registrierte sofort, dass Asenov nicht nur seine Deckung in geradezu fahrlässiger Weise unter die Kinnlade klebte, sondern gleichzeitig auch noch mit weit nach vorne geneigtem Kopf umherstakste. Der Berner nahm diese Einladung gerne an: Er traktierte den Bulgaren mit präzisen Jabs über die Deckung hinweg, so dass dieser schon in der ersten Pause einen arg lädierten Eindruck machte. Es machte Freude zu sehen, wie Chervet aggressiv zum Körper agierte und mit perfekten Körperhaken die Deckung Asenovs noch weiter nach unten zog. Ein mustergültiger Leberhaken bedeutete denn auch das Verhängnis für den bemitleidenswerten Bulgaren. Nach 0:50 Sekunden in der zweiten Runde zwang Chervet Asenov im Ringeck in die Knie. Weil Ringrichter Beat Hausammann den Bulgaren noch nicht anzählte, feuerte Chervet sofort eine Salve hinterher, um den bedauernswerten Bulgaren endgültig auszuknocken. Ein erfreuliches Fazit: Chervets Gegner war auch deshalb inferior, weil der Berner im Vergleich zu früheren Auftritten nicht nur seine technisch bekannt feine Klinge pflegte, sondern auch den im Profigeschäft notwendigen, unbedingten Willen zum Abschluss entwickelt hat.
 

Mittelgewicht

Vitalij Kopylenko (BC Ascona, UKR) vs. Vuk Mitić (SRB)

Nach längerer Abwesenheit bzw. zwischenzeitlichen Kämpfen in der ukrainischen Heimat trat Vitalij Kopylenko wieder mal vor Tessiner Publikum auf. Er tat dies wie gewohnt fokussiert, ruhig und körperlich perfekt vorbereitet. Und das war auch nötig, denn sein serbischer Gegner machte schnell klar, dass er, obwohl bislang kaum im Ausland in Erscheinung getreten, durchaus mithalten konnte. Vuk Mitić war allerdings fast einen Kopf kleiner als Kopylenko, und die kurze Reichweite erwies über den Verlauf der letztlich absolvierten sechs Runden als entscheidender Nachteil: Obwohl der Serbe sich hervorragend bewegte, seine Deckung kompakt gestaltete und nur selten echte Trefferfläche bot, konnte er gegen Kopylenko kaum eigene Treffer produzieren.



Wenn der Ukrainer seine Angriffe abgeschlossen hatte, machte er jeweils mustergültig den entscheidenden Schritt vom Gegner weg. Mitićs Konter fielen genau deshalb meist zu kurz aus. Obwohl er strategisch richtig agierte und den Ukrainer immer nahe herankommen liess, waren seine Konter einfach zu kurz, um diesen im Gegenangriff mit echten Wirkungstreffern zu beeindrucken. Mitić bot eine sehr gute Vorstellung, aber gegen den athletischen und hervorragend variierenden Kopylenko konnte er mit zunehmender Dauer nicht mithalten. Der punktete konsequent mit seinem ansatzlosen, harten Jab und immer wieder mit knackigen, vor allem links abgefeuerten Körperhaken. Und diese waren in der Summe dann auch entscheidend: Der Serbe zeigte zwar kaum Reaktion, aber der Zermürbungseffekt war trotzdem da. Mitić ging irgendwann auch mehr Risiko, eine Chance, die Kopylenko sofort gnadenlos ausnützte: Zuerst erwischte er den Serben mit einem phantastischen Upper Cut aus der Rückwärtsbewegung, dann mit einem schönen rechten Cross zum Kopf. Und als Mitić die Deckung für einen Moment wieder hochzog, Kopylenko seine Linke so präzise auf die Leber des Gastes, dass dieser keine Chance mehr hatte, nach dem Anzählen durch Referee Fabian Guggenheim noch rechtzeitig hochzukommen. So ging ein Kampf zwischen zwei herausragenden Technikern und gleichzeitig absolut fairen Kämpfern leider viel zu früh zu Ende – man wäre nur allzu gerne mit Kopylenko und Mitić über die zwölf Runden gegangen!
 

Die Elitekämpfe

Mittelgewicht

Marzio Franscella (BC Ascona) vs. Jozefin Ndreu (Piemont)

Der routinierte Marzio Franscella (über 40 Amateurkämpfe), im Ringeck betreut von Vater Marco, marschierte wie gewohnt vorwärts und war optisch schnell überlegen. Ndreu agierte zurückhaltend und liess besonders den Einsatz der Rechten völlig vermissen. Franscella, bekannt als Wühler, der gerne in den Infight geht und dort Aufwärtshaken schlägt, kam aber nicht wirklich auf Touren und bekundete Mühe mit der Kampfanlage des Piemontesen. Obwohl der, das wurde bald einmal klar, nicht aus taktischen Gründen auf den Einsatz seiner rechten Schlaghand verzichtete, sondern weil er mit dieser effektiv kaum Wirkung erzielt. So verkrampften und verkeilten sich die Kämpfer zusehends: Ndreu punktete mit einzelnen Händen in den immer häufigeren Klammeraktionen, Franscella hingegen brachte trotz Kampfgeist kaum zwingende Kombinationen ins Ziel. Dass der Gast aus dem Piemont am Ende einstimmig (3:0) zum Sieger erklärt wurde, sorgte dann doch für etwas Überraschung im Publikum, das selbstverständlich gerne den Einheimischen vorne gehabt hätte. Franscella akzeptierte aber, ganz fairer Sportsmann, das Verdikt ohne die kleinste Verzögerung.
 

Welter

Robert Božović (BC Ascona) vs. Federico Catania (Piemont)

Auch wenn der Kampf schon vor dem ersten Pausengong zu Ende war, boten die Kontrahenden einen interessanten Auftritt. Das war in erster Linie das Verdienst des von einer grossen Fangemeinde unterstützten Božović. Der war sichtlich gut zu Fuss, hielt sich aber mit seinen Schlägen betont zurück. Gegen den unorthodox sperrig agierenden, aber offensiv eingestellten Catania setzte er nur wenige präzise Nadelstiche, um sich sofort wieder lehrbuchmässig seitlich rauszubewegen. Und so lockte er den Piemonteser auch schnell in die Falle: Catania drängte den Lokalmatador scheinbar ins Rechteck. Aber Božović nutzte einen kurzen Moment der Unaufmerksamkeit sofort aus und landete einen knallharten rechten Haken am Kinn des Piemontesen. Dieser Schlag war, ebenso wie die zuvor gesetzten Hände, ganz grosse Klasse. Ringrichter Benjamin Jagel nahm Catania mit vollem Recht sofort aus dem Kampf, weil der sichtlich angeklingelt war. Dass er ihn nicht mehr anzählte und den Kampf mit RSC (statt K.O.) wertete, ist mit Blick auf die Gesundheit des Kämpfers belanglos.

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