Boxen für den Frieden

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10.06.2009 00:00 Uhr

Der philippinische Box-Weltmeister Manny Pacquiao will in die Politik

Manny Pacquiao nach seinem grossartigen Sieg gegen "Golden Boy"
Oscar De la Hoya
Boxen für den Frieden

Auf den Philippinen ist der mehrfache Weltmeister Manny Pacquiao ein Volksheld. Wenn er kämpft, herrscht auch in den Rebellengebieten Ruhe. Nun will er seine Karriere beenden und Politiker werden.

08.06.2009 - Der Champ schläft noch, es ist ein Uhr mittags, aber in seinem Garten ist ziemlich viel los. Auf der Hollywoodschaukel sitzt sein amerikanischer Berater Michael Koncz und studiert Akten, er trägt sein blaues Haiwaiihemd und lächelt. Auf dem kurzgeschnittenen Rasen laufen ein paar Senatoren herum, die eigentlich für einen Kongress über Fischereifragen nach General Santos City gekommen sind, einer Hafenstadt auf der philippinischen Insel Mindanao, und nun Manny Pacquiao, den Boxweltmeister, besuchen wollen.

Vor dem Gartentor stehen Bettler, einige von ihnen warten dort seit Tagen. Sie haben im Fernsehen gehört, dass der Champ heimgekommen sei und Almosen verteile. Am Zaun flattert ein Spruchband: "Herzlichen Glückwunsch, Sir Manny, wir sind stolz auf dich - den größten Kämpfer, den die Welt jemals gesehen hat".

Er nennt sich "Pacman". Im Mai hat er in Las Vegas den Briten Ricky Hatton besiegt. Der Kampf dauerte genau fünf Minuten und 59 Sekunden, schon in der ersten Runde musste der Brite, einer der besten Halbweltergewichtler, zweimal zu Boden. Nach dem Kampf brauchte Hatton eine gute Viertelstunde, um wieder zu sich zu kommen und den Ring zu verlassen.

Pacquiao boxt mit schnellen, kurzen Schlägen, er ist flink und zäh und gilt als einer der besten Boxer der Welt. Er wurde Weltmeister in fünf Gewichtsklassen, und er hat Ende vergangenen Jahres sogar das große Vorbild Óscar de la Hoya geschlagen.

Die beiden Kämpfe haben ihm über 30 Millionen Dollar eingebracht. Seitdem wird er in seiner Heimat verehrt wie ein Messias. Das amerikanische "Time"-Magazin nahm ihn zur Wahl der hundert einflussreichsten Menschen auf der Welt auf. Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo hat ihn nach seinem Blitzsieg auf ihrem Sitz in Manila empfangen.

Der Champ schläft noch, weil er in der Nacht zuvor mit Freunden aus war, sie haben viel Bier getrunken und Darts gespielt bis morgens um fünf. Seine Leibwächter haben schließlich die Zeche von 15 000 Peso gezahlt, 225 Euro, den zierlichen Boxer neben die Maschinengewehre auf die Rückbank des gepanzerten Toyota-Geländewagens gewuchtet und ihn behutsam nach Hause gefahren. Einmal quer durch General Santos City, eine Stadt, die einst berühmt war für die Thunfische, die man dort kaufen konnte, und nun die Stadt des Boxers geworden ist.

Pacquiaos Haus ist ein Palast, umgeben von einem kleinen Park wie in einem Paradies. Die Wände sind in Eierschalfarben gestrichen. Eine Schiebetür aus Glas öffnet sich und ein freundlicher junger Mann tritt heraus. Pacquiao lächelt unbeholfen. Auf dem Kopf trägt er eine Art Mafioso-Strohhut und dazu passend ein gestreiftes Hemd mit spitzem Kragen. "Kommt nur alle herein", sagt er.

Auf einem Flachbildschirm läuft die "Oprah Winfrey Show", die Whisky-Bar ist gut sortiert, Walkie-Talkies knarzen, Mannys Leibwächter blättern gelangweilt in Waffenzeitschriften und zeigen sich die neuesten Pumpguns. Die Politiker schnattern aufgeregt, sie sind im Haus des Superstars, des Stolzes des Landes, und erschlagen ihn mit Komplimenten.

Sie schwärmen von seinem Sieg über diesen Engländer in Las Vegas, davon, dass er Menschen auf der ganzen Welt Freude bereite. Einer der Senatoren erzählt, dass sie sich für die Übertragung des Kampfes aus Las Vegas extra ein Hotel gemietet hatten, aber bevor alle vor dem Fernseher Platz nehmen konnten, sei der Fight ja schon vorbei gewesen. "Was für eine Geldverschwendung! Könntest du bitte das nächste Mal deinen Gegner nicht so schnell k. o. schlagen?"

Sie lachen und klopfen sich gegenseitig auf die Schulter, und Manny Pacquiao gibt Autogramme und posiert mit seinen Gästen vor der Fotowand, die mit Bildern von seinen Kämpfen tapeziert ist.

Pacquiao ist jetzt 30 Jahre alt, er könnte noch drei, vier Jahre boxen, aber als er zurückkam aus Amerika, verkündete er, dass er im nächsten Jahr für einen Sitz im Kongress kandidieren werde.

Es ist bereits sein zweiter Anlauf. Vor zwei Jahren fiel er gnadenlos durch. Da war er noch nicht der Volksheld, der er heute ist. "Die Menschen haben mich damals nicht gewählt, weil sie wollten, dass ich weiterboxe", sagt Pacquiao, "doch jetzt, nach all den Titeln, ist die Zeit günstig." Wenn er gewählt werde, sei erst einmal Schluss mit dem Boxsport, dann wolle er sich ganz dem neuen Beruf widmen.

Er meint das wirklich ernst. Schon im Herbst vergangenen Jahres hat er eine lokale Partei gegründet, nach seinem Sieg gegen Hatton bekam sie die Zulassung für die Wahlen. Sie heißt "People's Champ Movement", und ihr Programm besteht allein aus seinem Ruhm und seinem Image als strahlendem Helden und Wohltäter für die Armen.

Politik ist ein schmutziges Geschäft auf den Philippinen. Die Familie Marcos hat das Land ausgesaugt, die Diktatur endete 1986. Heute ist Gloria Macapagal Arroyo Präsidentin, obwohl ihr Wahlfälschungen vorgeworfen wurden. Eigentlich befindet sich das ganze Land trotz Demokratie seit Jahren in einem ständigen Aufruhr, das Militär hat Morde an linken Politikern begangen, im Süden kämpfen Regierungstruppen gegen Rebellen. Arroyos Vorgänger Joseph Estrada war Schauspieler, bevor er Politiker wurde. Ehemalige Basketballprofis und Fernsehmoderatoren lassen sich ins Parlament wählen. Die Philippinen sind ein Land, in dem es ganz selbstverständlich erscheint, dass ein guter Boxer auch ein guter Politiker ist.

Auch Präsidentin Arroyo will sich im nächsten Jahr wieder zur Wahl stellen, und sie glaubt, Pacquiao dafür nutzen zu können. Nach dem Sieg gegen Hatton hat sie ihn zum "Botschafter für Frieden und Verständigung" ernannt. Er soll dabei helfen, die Rebellen zu befrieden, die vor allem auf Pacquiaos Heimatinsel im Süden des Landes aktiv sind. Rebellengruppen wie Abu Sayyaf oder Moro Islamic Liberation Front organisieren im Namen Allahs Entführungen und Attentate. Ein italienischer Mitarbeiter des Internationalen Roten Kreuzes befindet sich immer noch in der Gewalt von Abu Sayyaf. Vor kurzem wurde ein philippinischer Tischler enthauptet, weil dessen Familie das Lösegeld nicht zahlen konnte.

Präsidentin Arroyo braucht Erfolge im Kampf gegen den Terrorismus. Der Wahlkampf hat längst begonnen. Weil vor ein paar Tagen Rebellen der kommunistischen "New People's Army" übergelaufen sind, hat die Präsidentin dem Boxer vorgeschlagen, diesen Erfolg gemeinsam zu feiern. Pacquiao war einverstanden, vorausgesetzt, die Präsidentin komme zu ihm nach General Santos City.

Bevor Pacquiao an diesem Tag die Präsidentin trifft, besucht er seinen Wahlkreis in Malungon, einer Kleinstadt knapp eine Autostunde von General Santos City entfernt. Er besitzt dort eine Farm, auf der er 1000 Kampfhähne züchtet, er ist auch Vorsitzender des Tourismus-Ausschusses von Malungon. Er hält eine kleine Rede im Rathaus und verspricht, der Gemeinde zwei Feuerwehrautos, zwei Krankenwagen und einen Bus zu schenken.

Einige Generäle sind angereist, sie wollen ihn überreden, in die Gebiete der Rebellen zu fahren und dort die Kombattanten zur Aufgabe zu überreden. "Wenn Manny Pacquiao boxt, herrscht Frieden in unserem Land", sagt einer der Generäle. "Dann sitzen sogar die Rebellen vor den Fernsehern - vielleicht hören sie ja auf ihn."

Die sieben Rebellen, die schließlich im großen Saal des Phela Grande Hotels in General Santos City vorgeführt werden, sind fast noch Kinder. Sie sitzen etwas verlegen und scheu auf ihren Stühlen, neben ihnen, auf einem festlich dekorierten Tisch, liegen ihre Waffen, Maschinenpistolen und Karabiner, die aussehen wie selbstgebastelt. Die Präsidentin ist mit dem Hubschrauber eingeflogen, sie hat das Fernsehen dabei, Zeitungsleute und ein paar Generäle.

Nacheinander besteigen Manny Pacquiao, der Weltmeister, Gloria Macapagal Arroyo, die Präsidentin, und die sieben Kämpfer die Bühne. "Manny Pacquiao ist ein Apostel des Friedens", sagt die Präsidentin. "Herzlichen Glückwunsch, dass ihr euch der Regierung ergeben habt", sagt Pacquiao. "Wir geloben, nie mehr zu kämpfen", sagen die Rebellen und bedanken sich bei Manny Pacquiao und der Präsidentin, deren Namen sie gerade vergessen haben. Es gibt Leute, die glauben, dass Pacquiaos Weg in die Politik sein Image als aufrechten Volkshelden ramponieren könnte, und die nun hoffen, dass er diesen Kampf verliert. "Wir haben ihm alle davon abgeraten, aber er ist unbelehrbar", sagt Michael Koncz, sein Berater. "Er konnte noch nie nein sagen." THILO THIELKE © Spiegel

 

 

 

 


 

 

 

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