Jetzt ist wieder Spektakel angesagt

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22.02.2020 19:02 Uhr
Rod Ackermann, NZZ

Für den Sieger im Duell zwischen Tyson Fury und Deontay Wilder geht es um die unumstrittene Herrschaft im Schwergewichtsboxen

Noch gibt es sie, die grossen Boxkämpfe, auch wenn sich das klassische Faustfechten schwertut mit der zunehmenden Konkurrenz durch die sogenannten Mixed Martial Arts (MMA). Diese neue Kampfform wird als ernstzunehmende Spielart von Jahrmarktschlägereien verkauft und ist ein Zweikampf, durch ein Minimum an Regeln beeinträchtigt und in achteckigen Käfigen rund um den Globus ausgetragen – mit dem Epizentrum Las Vegas.

Nun steigt ausgerechnet in der Spielkasinometropole von Nevada der nächste Fight um die Weltmeisterschaft im Schwergewichtsboxen: das Duell zwischen Deontay Wilder, Hautfarbe schwarz, und Tyson Fury, Hautfarbe weiss. Die beiden Boxer standen sich schon einmal gegenüber, wobei ein Unentschieden resultierte – beste Voraussetzung für einen Rückkampf, ganz zu schweigen von den unvermeidlichen Gerüchten um bestochene Punktrichter und dergleichen.

Wie zu Tysons Zeiten

Es geht in der Nacht auf Sonntag abermals um den Gürtel des World Boxing Council (WBC) und für dessen Gewinner um die Aussicht, gegen den Titelhalter der anderen namhaften Verbände (WBA, IBF und WBO) kämpfen zu dürfen, den Briten Anthony Joshua. Käme dieser Kampf wirklich zustande, so stünde, Traum vieler Aficionados, die unumstrittene Herrschaft in der Königsklasse mitsamt gewaltigen Dollarsummen auf dem Spiel. Der bisher letzte Kämpfer, der sämtliche Weltmeistergürtel in seinem Besitz hatte, war vor zwanzig Jahren der Brite Lennox Lewis. Gegen ein solches Superding spricht allerdings Joshuas erwiesene Abneigung, seine Krone gegen schwierige Herausforderer aufs Spiel zu setzen.

Im MGM Grand Casino geht es aber auch um den Marktwert des Boxens und seiner Aushängeschilder überhaupt. Deshalb wäre «Wilder vs. Fury II» als Replik auf die MMA-Shows und deren austauschbare Exponenten zu werten. Wer kennt schon die Schwergewichts-Weltmeister der Mixed Martial Arts, derzeit Stipe Miocic (Version UFC) beziehungsweise Ryan Bader (Version Bellator)? Demgegenüber haben Wilder und Fury einen weit höheren Bekanntheitsgrad, auch wenn sie punkto Ausstrahlung weit hinter einem Mike Tyson zurückbleiben. «Der Schreckliche» bleibt auch dreissig Jahre nach seinem Absturz das Mass aller Dinge im Schwergewicht.

Die Revanche für die erste Begegnung des im Südstaat Alabama ansässigen Wilder («The Bronze Bomber») mit dem von irischen Fahrenden abstammenden Fury («The Gypsy King») verspricht jedenfalls allerhand. Im Staples Center von Los Angeles hatten sich die beiden am ersten Dezembertag 2018 einen spektakulären Kampf über die volle Zwölf-Runden-Distanz geliefert, mehr als genug, um die Heavy Weights endlich wieder in die Schlagzeilen zu bringen.

Das Echo sprach Bände: Ausser den 350 000 Pay-per-view-Teilnehmern in den USA und den 450 000 in Grossbritannien schalteten sich via Übertragungen auf Piratensendern weltweit an die zehn Millionen Schaulustige ein. Ähnliches hatte das Preisboxen seit den fetten Jahren mit «Tyson the Terrible» nie mehr erlebt. Umso weniger, als in der Zwischenzeit die zwar ehrenwerten, aber wenig dramatisch boxenden Gebrüder Witali und Wladimir Klitschko den Thron der Königsklasse allzu lange besetzt hielten.

Vorbei und vergessen – angesagt ist jetzt wiederum Spektakel. Plakatiert als «Unfinished Business» (unvollendetes Geschäft), dürfte die Wilder-Fury-Zweitauflage eine ähnliche Resonanz erzielen wie das erste Duell. Nicht zuletzt deshalb, weil das Rezept des Schwarz gegen Weiss gerade in den Vereinigten Staaten noch immer besondere Zugkraft hat – von Don King, dem abgefeimtesten aller Promoter, einst mit Erfolg monetär optimiert. Kommt hinzu, dass beide Kontrahenten den Durst des Publikums nach Niederschlägen bestens befriedigen. Der 2,01 Meter lange Wilder (Reichweite: 2,11 m) gewann 41 seiner bisher 42 siegreichen Fights durch Knock-out, der fünf Zentimeter grössere Fury (Reichweite: 2,16 m) immerhin deren 20 in 29 Matches. Dass der Amerikaner im ersten Duell seinen Gegner zweimal auf den Teppich geschickt hatte, der Brite aber immer wieder auf die Beine kam, erhöht die Attraktion der Zweitauflage.

Auf der Promotion-Tour hatten die beiden schweren Männer – Wilder brachte vor fünfzehn Monaten 96,4 kg auf die Waage, Fury 116,3 – leichtes Spiel. Es bedurfte weder wüster Beschimpfungen noch inszenierter Handgemenge, um den aufmarschierten Medien Propagandastoff zu vermitteln; man begnügte sich stattdessen mit drohendem Anstarren und dem Austausch verbaler Sticheleien. Zu gut kennen sich die zwei, um auf das übliche Imponiergehabe hereinzufallen. Den Ausschlag im Ring geben wird, wer hinter der Härte seines Faustschlags auch einen Plan B im Kopf hat.

Andy Ruiz, die Eintagsfliege

Wie man es nicht machen soll, hatte vergangenes Jahr der fettleibige Andy Ruiz gezeigt. Als vermeintlich chancenloser Outsider gegen den WBA-Champion Joshua angetreten, bescherte der mexikanischstämmige Herausforderer im Madison Square Garden in New York mit seinem überraschenden Titelgewinn dem Schwergewicht die grösste Sensation seit Jahren. Ein paar Monate später hatte Ruiz beim Rückkampf in der Wüste Saudiarabiens jedoch weder Ideen noch den nötigen Punch vorzuweisen: eine Eintagsfliege, wie sie im Preisboxen immer wieder vorkommt. Gemäss letzten Berichten soll sich der Ex-Weltmeister mit neuem Trainer und nach einer weiteren Abmagerungskur auf den nächsten Einsatz vorbereiten – das alte, herzzerreissende Lied und der Stoff für einen weiteren Film.

 Aus dem NZZ-E-Paper vom 21.02.2020

DAZN überträgt den Mega Fight in der Nacht auf Sonntag ab 05:45h live (Vorkämpfe ab 03:00h)

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