Noch vier Tage bis zum Gong

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17.05.2016 21:21 Uhr

Von Andreas W. Schmid, Basler Zeitung, 17.05.2016 

Seit Sonntag weilt Arnold Gjergjaj in London – damit haben für ihn die letzten Vorbereitungen vor dem grossen Fight begonnen 

Am Sonntagnachmittag stellt sich Arnold Gjergjaj im Londoner Canary Wharf Shopping Center in den Ring und zeigt mit Schattenboxen, Seilspringen und Pratzenarbeit, was er drauf hat. Ein Zuschauer ist hörbar nicht beeindruckt: Shannon Briggs. Zuvor hat der ehemalige Schwergewichts- Weltmeister selber im Ring gestanden, um für den Boxabend vom kommenden Samstag Werbung zu machen. Nun ist er zurückgekehrt, um sich Gjergjaj anzuschauen. Was er von ihm sieht, haut ihn offenkundig nicht aus den Socken. «Wow», kommentiert er eine Aktion des Prattlers. «Nicht schlecht», sagt er ein anderes Mal und an einer Stelle entweicht ihm gar ein «hui». Dazwischen ruft er immer wieder sein altbekanntes «Let’s go champ!»

Gjergjaj lässt sich von Briggs, der in der O2-Arena im Vorprogramm boxen wird, indes nicht provozieren, sondern hat für die spöttischen Bemerkungen höchstens ein Lächeln übrig. Dafür gibt sich der Prattler nochmals zuversichtlich, dass er David Haye besiegen kann. In den nächsten Tagen wird der 31-Jährige täglich ein- bis zweimal trainieren, ohne allerdings die letzten Energie­reserven anzuzapfen. 

Denn richtig ernst gilt es am «Hayeday», also am kommenden Samstag, wenn um 22.45 Uhr der Gong zur ersten Runde ertönen soll. Es steht fest, dass der Kampf live vom Schweizer Fernsehen übertragen wird. Co-Kommentator ist Stefan Angehrn, der vor zwei Jahrzehnten selber im Rampenlicht stand, als er gegen Ralf Rocchi­giani um die WM kämpfte und nach Punkten verlor.

Nicht aufs Schweizer Fernsehen angewiesen sind jene Gjergjaj-Anhänger, die in der O2-Arena live vor Ort sein werden. Mindestens eine Hundertschaft wird aus Basel erwartet. 16 500 Zuschauer fasst das hochmoderne Stadion für diesen Kampf. Über den Stand der verkauften Tickets herrscht im Haye-Lager Stillschweigen. Bei seinem Comeback-Fight im Januar gegen Mark De Mori war die Arena schnell ausverkauft. Das Interesse am Kampf von Samstagabend hingegen soll bis jetzt nicht vergleichbar sein, was auch damit zu tun hat, dass Gjergjaj trotz seinem Kampfrekord von 29 Siegen in ebenso vielen Fights als unbeschrie­benes Blatt gilt – und die Boxfans nach dem sehr schnellen Ende bei Hayes Comeback Fight vorsichtig geworden sind. Für den Kampf gegen Gjergjaj sind deshalb noch Eintrittskarten in allen Kategorien zu haben: Die Preisspanne reicht von 1200 Pfund (1700 Schweizer Franken) am Ring bis zu 34 Pfund für Tickets ganz oben, von wo aus die Boxer wie Ameisen aussehen.

Optimistische Fans 

Hautnah konnte man Arnold Gjer­gjaj hingegen am Samstag erleben. Im Keller des Boxclub Basel bei der Kaserne hatte er zum Tag der offenen Tür geladen – der Abschluss seiner mehrwöchigen Vorbereitung für den Hayeday. Bald war der Raum übervoll, gegen 400 Interessierte wollten nochmals sehen, wie der Schwergewichtler in Schuss ist. Unter ihnen war auch Heinz Margot, der frühere Moderator im Schweizer Fernsehen. Margot, der selber Fitnessboxen betreibt, glaubt an Gjergjaj – so sehr, dass er einen drei­stelligen Betrag auf ihn gesetzt hat. Bei einer Quote von 1:17 auf einen Sieg von Gjergjaj hätte er, wenn es wirklich so käme, den Ausflug nach London locker wieder eingenommen. Denn Margot wird in der 02-Arena ebenfalls mit dabei sein. «Ist doch klar. Einen solch grossen Kampf mit einem Basler gibt es nicht so häufig», sagt er und korrigiert sich dann selber: «wobei …, vielleicht ist es ja erst der Anfang».

Zu Hause bleibt hingegen Maria Gallina, die Mutter von Gjergjajs Trainer und Manager Angelo Gallina. «Ich war bis jetzt nur an einem Kampf von Arnold live dabei.» Das war nichts für sie. Sie winkt ab: «Es waren zu viele Emotionen, also bleibe ich lieber zu Hause.» Sie mag den gebürtigen Kosovaren so sehr, dass sie auf ihrem Nachttischchen ein Foto von ihm – und nicht von ihrem Sohn – stehen hat. Die 76-Jährige erzählt, dass sie früher gerne die Ali-Kämpfe mitverfolgte und dafür mit ihrem Mann mitten in der Nacht aufstand. Diese Frau kennt sich also aus, deshalb fragen wir sie:

«Frau Gallina, wer gewinnt den Kampf?»

Sie schaut uns entgeistert an. «Das isch doch klar. Dr Haye bekunnt e paar uff d Schnuure!»

PDF des Berichts mit Fotos

 

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