"Mörderischer Schlag"

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06.04.2009 00:00 Uhr

"Ich war schon immer ein Kraftprotz"


"Schnupf-Ruedi" Meier

Unter den Amateurboxern war der Neschwiler Ruedi Meier in den 1960er und 1970er Jahren gefeierter Dominator. Profiboxer wollte er nicht werden, weil er "keine Lust" dazu hatte.

02.09 - Die vom Eis erstarrten Bäume und das in der Ferne liegende, nebelverhangene Tösstal, bilden eine bizarre Winterkulisse an diesem klirrend kalten Nachmittag in Neschwil. Ausser ein paaar unerschrockenen Wintersportlern und müde herumstreunenden Hunden, ist weit und breit keine Seele zu sehen. Beinahe gespenstisch ruhig ist es im kleinen Dorf bei Weisslingen. Ruedi Meier scheint dies nicht zu stören, im Gegenteil. "Ich komme gerade aus Teneriffa, da war es auch sehr kalt, voraallem nachts in unserem Haus. In meiner Stube hingegen ist es gemütlich und warm."

Drei Europameisterschaften

Ruedi Meier macht sich auf dem Sofa breit und zeigt Schwarzweissfotografien aus seiner Zeit als Aktivboxer beim Box-Club Winterthur, wo er noch heute Ehrenmitglied ist. "Dies war einer meiner besten Kämpfe", sagt er nicht ohne Stolz, "ich kämpfte gegen François Fiol, der noch im gliechen Jahr zu den Profis wechselte. Der Kampf wurde sogar vom Fernsehen übertragen." In der Zeitspanne von 1962 bis 1973 durfte sich der nur 182 Zentimeter grosse Meier den Meistergürtel gleich zehnmal umschnallen lassen. Dreimal wurde er vom Schweizerischen Boxverband für die Europameistershaften aufgeboten, an denen er jeweils im Viertelfinale ausschied.

Vorteile als Linkshänder

Höheunkt seiner Boxkarriere war die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Tokyo von 1964, wo er wie er selbst sagt nach einer fragwürdigen Entscheidung disqualifiziert wurde.* "Ich war gerade dabei, meinem argentinischen Gegner ein paar wirkungsvolle Leberschläge anzubringen, als mich der Ringrichter völlig unverständlich aus dem Kampf holte." Dieser tiefe "Leberhaken", mit seiner linken Hand ausgeführt, sowie ein im allgemeinen "mörderischen Schlag", waren das Geheimnis für Meiers Erfolg.

K.-o.-Quote von 70 Prozent

Dass er über eine enorme Schlagkraft verfügte, bezeugt nicht nur die Statistik - in 137 Kämpfen schlug er seine Gegner, in 97 Fällen K.o. - auch jene, die ihn privat anfeindeten, bekamen dies zu spüren. "Ich suchte nie eine Schlägerei, war ein friedlicher Typ. Aber einmal an einem Fest zu Ehren des Nationalfeiertags hat mich einer fies provoziert und mir eine runtergehauen, da hab ich halt zurückgegeben." Das Ergebnis: Der übrermütige Angreifer musste nach Meiers Verteidigungsschlag mit einem fünfachen Schädelbruch ins Spital eingeliefert werden. Meier selbst wurde beim anschliessenden Gerichtsprozess zur Bezahlung von 12 000 Franken Busse verdonnert. Das Gerichtsprotokoll sollte später festhaltené: "Der Angeklagte meinte, dass der Kläger über eine weiche Birne verfügt."

Ein glückliches Leben

Die Basis für seine Kondition holte sich der gelernte Bauer und Forstwart allerdings schon im Bubenalter, als er auf dem elterlichen Bauernhof tatkräftig mithelfen musste. Doch warum wurde er nie Profiboxer? "Ich hatte einfach keine Lust dazu, geboxt habe ich immer aus purem Plausch. Ich wollte etwas aus meinem Leben machen und nicht nur rumsaufen.

Überhaupt sagt Meier, dass er auf ein wunderschönes Leben zrückblicken darf. "Ich hatte eine tolle Frau, die leider viel zu früh verstorben ist, und bin stolz auf meine fantastischen Söhne, was will man da mehr?"


* beim gleichen Turnier wurde Smokin' Joe Frazier, der spätere Box-Weltmeister im Schwergewicht, Olympiasieger.

 

 

 


 

 

 

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