Armes Amerika: Vitali Klitschko vs. Kevin Johnson

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13.12.2009 15:37 Uhr


Kevin Johnson taktierte gut; gegen Weltmeister Vitali Klitschko hatte er fast keine andere Wahl.
Er wäre sonst wohl ausgeknockt worden
.

 

Bericht von Ueli E. Adam
 
13.12.2009 - Den grossspurigen Ankündigungen liess der Herausforderer aus den USA keine Taten folgen. Im Gegenteil: anstatt wie versprochen den Weltmeistergürtel im Stil des grossen Ali wieder nach Amerika zu holen, schlüpfte Kevin Johnson in die Rolle des Dr. Kimble – ständig auf der Flucht. Mit diesem eher beschämenden Auftritt enttäuschte der Herausforderer nicht nur Experten, sondern auch das sachverständige Publikum.

Obschon sich Johnson mit schnellen Reflexen über die volle Distanz von zwölf Runden retten konnte, ist das Fazit ernüchternd: ohne mit einem einzigen Angriff aufzuwarten, liess er jeden echten Willen vermissen, den Titel tatsächlich holen zu wollen. Der Kampf liess aber auch Defizite bei Vitali Klitschko erkennen. Er, der am besten mit verheerenden Kontern zu gewinnen weiss, war als Angreifer nicht über jeden Zweifel erhaben. Zu berechenbar waren seine Eins-Zwei-Kombinationen, um den Hasen aus Atlanta vor der Zeit auf die Bretter zu schicken. Dass Klitschko zudem nach einem völlig einseitigen Kampf mit Blessuren gezeichnet war, ist zwar eher auf zufällige Treffer von Johnson zurückzuführen, zeigt aber auf, dass Vitali Klitschko auch verletzlich sein kann.


Monte Barrett (l.), Ex-Gegner von Nicolaj Valuev und David Haye, zeigte dem ent-
täuschenden Alexander Ustinov klar die Grenzen auf

Neben dem erfolgreichen Titelverteidiger gab es noch andere Gewinner: die Veranstalter hatten ein volles Haus und der SCB konnte sich mit der Postfinance-Arena weltweit im besten Licht präsentieren. Das Berner Publikum zeigte sich von einer Begeisterungsfähigkeit, wie sie in der Schweiz wohl einmalig sein dürfte und selbst das dürftige Vorprogramm konnte die Euphorie nicht trüben. Vitali Klitschko wurde gefeiert wie wenn er ein gebürtiger Berner wäre und neben ihm wurde der Burgdorfer Nuri Seferi mit dem grössten Applaus des Abends belohnt.


"The Albanian Tyson" Nuri Seferi brachte seinen Widersacher Josepf Marwa in arge Bedräng-
nis

Seferi siegte im Vorprogramm in einem auf sechs Runden angesetzten Kampf gegen den ehemaligen afrikanischen Meister im Cruisergewicht Joseph Marwa nach vier Runden mit einem klaren und einstimmigen Punktsieg (40:36). Nach vier von angesagten sechs Runden wurde der Kampf aber vorzeitig abgebrochen, um den Zeitplan im Hinblick auf den Hauptkampf nicht in Gefahr zu bringen. Nur aus diesem Grund konnte der Burgdorfer seine Fans nicht restlos überzeugen: sie hatten einen KO-Sieg ihres Lieblings erwartet und trugen dem Umstand zu wenig Rechnung, dass Seferi den Kampf wohlüberlegt angegangen war und den KO erst nach genauer Einschätzung des Gegners suchen wollte.

Der vorzeitige Kampfabbruch machte deshalb dem Burgdorfer, der Marwa in der zweiten Runde angeknockt hatte, einen dicken Strich durch die Rechnung. Einen guten Vorkampf lieferte auch der erst 20-jährige Gabor Veto ab, der mit variablem Boxen seinen afrikanischen Gegner Obote Ameme (29 KO-Siege in 36 Kämpfen) sicher auspunktete. Die übrigen Vorkämpfe kann man ruhig vergessen. Der als zukünftige Hoffnung im Schwergewicht gehandelte Jonathan Banks (USA) knockte den Ringclown „The
HighlanderMarcel Zeller (D) bereits nach wenigen Sekunden in der ersten Runde aus und der vollmundig angekündigte Kampf zwischen Alexander Ustinov (Weissrussland) und Monte Barrett  (USA) ging in einem Stil über die Runden, der erzürnt, wenn man im Gegensatz dazu bedenkt, wie stiefmütterlich die Medien erstklassige Kämpfe in der Schweiz behandeln.


Unterhaltsamer Fight: Veto vs. Ameme
 

Trotz krasser Überlegenheit nach dem
Kampf gezeichnet: Dr. Vitali Klitschko

Bertrand Duboux, der grosse Boxexperte der Westschweiz, brachte es auf den Punkt: Zugpferde wie Yves Studer, Roberto Belge, Patrick Kinigamazi oder Mohamed Belkacem konnten sich noch nie in einer Direktübertragung von SF in Szene setzen, aber für ein Megaevent, das bereits auf RTL übertragen wird, werden Mittel freigemacht, die dem heimischen Schaffen wohl anstehen würden. Das soll die Kommentatoren-Leistung von HansJucker und Ex-Profi Stefan Angehrn nicht schmälern, im Gegenteil – es war höchst erfreulich, auf SF wieder einmal Schweizer über das Boxen berichten zu hören. Eine tolle Leistung haben auch Schweizer Funktionäre unter Beweis gestellt: Peter Stucki als Delegierter der WBC, JackSchmidli als Instruktor am Ring und vor allem die Punkt- und Ringrichter Fabian Guggenheim und Beat Hausammann beeindruckten mit erstklassigen Leistungen. Dass dies keine Hofberichterstattung ist, hat der Berichterstatter von ausländischen Experten bestätigt bekommen.


Lockere Stimmung: SF2-Kommentatoren Hans
Jucker und Ex-Profi Stefan Angehrn

 
IBF-/WBO-Schwergewichts-Weltmeister Dr.
Wladimir Klitschko mit Verehrerin


Fazit: Boxen ist wunderbar – und wir freuen uns bereits heute auf die kommenden Veranstaltungen in Basel und vor allem auf den traditionellen Boxing-Day vom 26. Dezember in Bern. Dort wird mit Sicherheit der Beweis erbracht, dass wir unser Licht nicht unter den Scheffel zu stellen brauchen.
 



 

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