Kongolo punktet in sensationellem EBU-Titelkampf Zecirevic aus

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05.11.2017 13:20 Uhr

Gérald Kurth, 05.11.2017

Was für ein Feuerwerk zu mitternächtlicher Stunde in Genf! Der als Kampf des Jahres angekündigte Titelkampf um den European External European Union (EBU-EE) Titel im Halbschwergewicht zwischen Yoann Kongolo und Enes Zecirevic war wohl das Beste, was man in einem Schweizer Boxring im dritten Jahrtausend zu sehen bekommen hat: Zwei furchtlose Boxer fighteten zwölf Runden in höchster Intensität und Präzision und rissen damit das Publikum buchstäblich von den Sitzen. Technisch führte Kongolo insgesamt die etwas feinere Klinge und verdiente sich damit den letztlich eindeutigen Sieg nach Punkten.

Konzentration vor dem grossen Fight (boxemag.com)

Die über 600 Boxfans wurden gleichsam auf der Zielgeraden für ihre Geduld belohnt. Sie hatten zuvor im vom Team Boxniaque um Chefcoach Samir Hotić gewohnt souverän organisierten Event lange einen eher mauen Abend erlebt und vergeblich auf entsprechende Highlights gewartet. Fast alle Amateur- und Profikämpfe im Abendprogramm mussten vorzeitig wegen Aufgabe oder Verletzungen abgebrochen werden.

Das galt auch für die Fights der beiden Genfer Professionals Ornella Domini und Pamela Treand. Beide bekamen Gegnerinnen aus Georgien vorgesetzt, die je in der dritten Runde aus dem Kampf genommen werden mussten. Treands inferiore Gegnerin Nana Cakvasvili blutete trotz vergleichsweise wenig druckvollen Angriffen der Einheimischen stark aus der Nase und wurde schnell erlöst.

Lela Terasvili hingegen war gegen Domini eigentlich gut unterwegs und führte dank ihrem giftigen Offensivstil nach zwei Runden auf den Punktzetteln. Dann aber drehte Domini diskret, aber wirkungsvoll einen schönen Haken zum Körper, der die Georgierin mit Verzögerung zur Aufgabe zwang. Domini stand solide und hätte wohl über die Distanz ihre Reichweitenvorteile konsequent genutzt. So jedoch fiel der Kampf zu kurz aus, um der Genferin eine echte Standortbestimmung nach der Niederlage im Juni gegen Ruth Chisale aus Malawi zu ermöglichen.

Das Telegramm zum Kampf des Jahres:

EBU-EE Titelkampf im Halbschwergwicht (79,6?)

Enes Zecirević (CH) – Yoann Kongolo (CH)

Während der Genfer Kongolo mit einer makellosen Kampfbilanz (9 Fights, 9 Siege) angetreten war, hatte der erfahrene Rheintaler Zecirević in seinen bislang 19 Kämpfen erst zweimal unterlegen, allerdings gegen zahlreiche im Ranking weit oben platzierte Gegner. Die ohnehin interessante Affiche mündete in ein Spektakel erster Güte: Was die Boxer aus Genf und dem Rheintal ablieferten, war eine Demonstration – Technik, Schnelligkeit, Präzision, mentale Stärke, es war einfach alles drin, was den Boxfan elektrisiert. Gestern Abend durfte das Genfer Publikum wieder einmal einen solchen magischen Moment erleben...

Kongolo (r.) durchbricht Zecirević's Deckung (boxemag.com)

Kongolo und Zecirević verzichteten nach dem ersten Gong aufs gegenseitige Beschnuppern und legten sofort los. Der Rheintaler machte oben wie gewohnt mit seiner stabilen Doppeldeckung dicht. Kongolo versuchte diese herunter zu ziehen, indem er schnelle einzelne Hände rechts zum Körper schlug. Die blieben zwar ohne Wirkung, zwangen aber Zecirevic dazu, die Deckung auch auf seinen unglaublich beweglichen und variabel schlagenden Gegner auszurichten. Zecirević liess seinerseits immer mal wieder in der sicheren Distanz den Jab hängen, um so den Gegner zum riskanten Abschluss zu verleiten. Kongolo nahm die Einladung jedoch nie unvorbereitet an. Er schaffte es, den etwas härter schlagenden Zecirević mit blitzsauber geschlagenen Serien unter Druck zu setzen, ohne jedoch je echte Wirkungstreffer zu erzielen. Spätestens in der vierten Runde war das Gefecht ein offener Schlagabtausch in höchster Intensität, in denen Kongolo zunehmend auch mit hervorragender Fussarbeit glänzte. Ohnehin kleiner, gelang es ihm wiederholt, sich an Zecirević emporzuschrauben, um zahlreiche perfekte Aufwärtshaken zum Kinn von Zecirević zu ziehen. Keiner dieser Treffer brachte Zecirević ernsthaft in Gefahr, aber auf den Punktzetteln war Kongolo nach der ersten Hälfte des Kampfes schon davongezogen. Zecirevic hielt immer dagegen und landete auch saubere Konter. Aber Kongolo war der aggressivere Boxer und dem entsprechend öfter im Vorwärtsgang. So zwang er Zecirević öfters auch in die Ringecke, wo er mit ausgezeichnet choreographierten Serien Zecirevićs dichte Deckung herunterziehen wollte. Gelang es ihm, beeindruckte Kongolo damit auch die Punktrichter.

In der siebten Runde suchte Zecirević vermehrt die Offensive, auch weil er spürte, dass er zurücklag. Und für einen Augenblick hatte man das Gefühl, dass Kongolo vielleicht seinem Wahnsinnstempo Tribut zollen müsste. Aber nichts da: Der Rhythmus wurde im Gegenteil nochmals hochgefahren. Kongolo hielt dagegen, als Zecirević versuchte, das Diktat in die Hand zu nehmen und seine Schlaghärte explosiver ins Ziel zu bringen. Der äusserst bewegliche Genfer konterte die Angriffsserien des Rheintalers wieder mit ausgezeichneten Uppercuts oder feuerte urplötzlich auch lange rechte Hände über die Deckung zu Zecirevićs Kopf. In der zwölften und letzten Runde musste Zecirević gezwungenermassen den K.O. anpeilen. Er schaffte es aber gegen den konditionell ebenfalls hervorragenden Kongolo nicht mehr, die Entscheidung herbeizuführen. Kongolo liess nichts mehr anbrennen und ging sogar noch selber in den Abschluss, angefeuert durch ein frenetisch mitgehendes Publikum.

Winner ... and still undefeated ... Yoann Kongolo (10/0/0)                     

Fazit: Was für ein Kampf – so etwas hat die Schweiz seit Beginn des neuen Jahrtausends nicht mehr gesehen! Absolut begeisternd. Die boxerisch-technische Qualität liess sich auch an der Tatsache ablesen, dass die beiden Gegner am Ende der zwölf Runden kaum sichtbare Spuren im Gesicht hatten, obwohl jeder Hunderte von Händen abgefeuert hatte.

Die Wertungen der Punktrichter:

Luigi Muratore (ITA): 111:117, Kongolo

Beat Hausammann (CH): 113:116, Kongolo

Fabian Guggenheim (CH): 110:119, Kongolo)

Resultatübersicht

 

 

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