Boxing Day in Bern und die Faszination des Boxens

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27.12.2017 18:35 Uhr

Ueli E. Adam, 27.12.2017

Dass der legendäre Boxing Day in Bern zu den Fixpunkten des Boxens gehört, wurde durch die Medienpräsenz und die ausverkaufte Kursaal-Arena eindrücklich bestätigt. Der neue Promoter Leander Strupler und sein Team von LS Créative haben mit der Veranstaltung ein Glanzlicht gesetzt. Daniel Hartmann, der während Jahren mit dem Boxing Day Geschichte geschrieben hat, gratulierte seinem Nachfolger zur perfekten Übernahme und SwissBoxing Präsident Andreas Anderegg dankte im Namen des Verbandes mit einer Auszeichnung im Ring. 

Erwähnenswert auch das Matchmaking: der von Strupler beauftragte Shkumbin Sekiraqa hat sehr gut ausgewogene Paarungen zusammengestellt. Die Lokalmatadoren waren echt gefordert. Auf dem Programm standen ausschliesslich Profi-Kämpfe.
 

Die Kämpfe im Überblick

6x3 Runden: Shokran Parwani, 84 kg, Deutschland vs. Svyatoslav Svirid, 83 kg, Ukraine

Was quasi als Vorkampf angeboten wurde, bildete den richtigen Auftakt zu einem  erstklassigen Meeting. Beide Kämpfer waren mit einem beeindruckendem Record angereist: Parwani, 8 Kämpfe, ungeschlagen, 7 KO-Siege: Svirid 5 Kämpfe, ungeschlagen, 4 KO-Siege. Entsprechend diesen Referenzen ging es deshalb ab der ersten Runde hart zur Sache. Einer der ungeschlagenen Kämpfer musste mit seiner ersten Niederlage rechnen. Parwani, der in Deutschland für eine grosse Karriere aufgebaut wird, beeindruckte von Beginn weg mit technischer Klasse, präzisen Schlägen und einem Punch, der für jeden Gegner gefährlich werden kann.



Umso erstaunlicher und beeindruckender der Auftritt des Ukrainers. Svirid gehört zu den bulligen Punchern, die schwer zu treffen sind, aber verheerend zuschlagen können. Die erste Runde ging noch an Parwani, aber bereits in der zweiten Runde konnte Svirid mit harten Haken das Notenblatt zu seinen Gunsten wenden. Die dritte Runde gehörte wieder dem Hoffnungsträger aus Deutschland, der Svirid mit harten Schlägen seinerseits auf die Verliererstrasse drängte. In der vierten Runde wurde die Dramatik des Boxens Tatsache. Svirid drosch mit einem Schlaghagel auf Parwani ein, der für diesen fatal werden sollte. Svirid schickte Parwani mit einem harten rechten Haken auf die Bretter und nach einem erneuten Niederschlag brach Ringrichter Fabian Guggenheim den Kampf nach 1.50 Minuten mit einem TKO ab. Ein richtiger Entscheid, obschon Parwani behaupten wollte, er sei nur ausgerutscht. Eine solche Bewusstseinstrübung tritt eben dann ein, wenn man schon auf dem Weg ins Land der Träume war.

8x2 Runden: Aniya Seki, 53 kg, Jg. 1979, Schweiz, vs. Judit Hachbold, 51 kg, Jg. 1993, Ungarn

Aniya Seki, (32-3-2, rechts im Bild) die am 21. Oktober mit einem WBC-Titelkampf um den Silver Belt ihre Karriere bestechend neu lanciert hatte, traf erneut auf eine junge Ungarin mit grossen Ambitionen. Judit Hachbold (4-2-0), wie alle ungarischen Kämpferinnen hoch motiviert, wollte der Bernerin von Beginn weg mit furiosen Angriffen den Schneid abkaufen. Das ist ihr ganz klar nicht gelungen. Aniya Seki liess sich durch den Schlaghagel der kleinen Schlägerin nicht beeindrucken und hielt Hachbold mit technisch überlegenem Boxen in Schach.



Auf Anweisung ihres erfahrenen ungarischen Trainers wollte Hachbold das Blatt noch mit einem möglich Lucky-Punch wenden. Das ist ihr nicht gelungen. Das Verdikt des Kampfgerichtes war eindeutig: Fabian Guggenheim, Thomas Zimmermann und Daniel Reimann werteten den Kampf mit 80:72 klar zu Gunsten von Seki.

8x3 Runden: Davide Faraci, 82 kg, Jg. 91, Schweiz, vs. Zura Mekereshvili, 82 kg, Jg. 93, Georgien

Bereits in der ersten Runde war klar, dass der Matchmaker keine Heimvorteile für die Schweizer (links im Bild) vorgesehen hatte. Im Gegenteil: als Fan von Faraci (6-0-0) musste man mit viel Unheil rechnen. Der in Italien trainierende Aargauer traf in seinem 7. Profikampf auf eine gefährliche Kampfmaschine aus Georgien. Mekereshvili (22-14-0) hatte seine 22 Siege 18 mal vorzeitig mit KO beendet. Dieser Reputation wollte er auch gegen Faraci gerecht werden. Umso überzeugender die Leistung von Faraci. Der gegen seinen bulligen Gegner eher fragil wirkende Schweizer zog sich mit erstklassigem Boxen, in der Ecke unterstützt durch seinen Förderer Engin Köseoglu, aus der gefährlichen Affäre.



Beinarbeit, variables Schlagrepertoire, ein gutes Auge, blitzartiges Abducken und Auspendeln schafften das, was zu Kampfbeginn nicht alle für möglich gehalten hätten: Runde um Runde ging auf den Punktezetteln an Faraci. Aber dass die Sorge um den Aargauer nicht unbegründet war, zeigte sich in der letzten Runde. Mekereshvilli setzte mit einem fulminanten Schlaghagel den Schlussakkord und erwischte Faraci mit einem klassischen Lucky-Punch. Der Schweizer ging zu Boden und musste angezählt werden. Dank Kondition, Wille und Routine konnte er sich aber über die Runde retten. Der Punktsieg durch die Jury war eindeutig: Hausammann, Zimmermann und Reimann werteten mit 78:73 Richterstimmen für den überzeugenden Sieger Davide Faraci.

6x3 Runden: Bruno Tavares, 79 kg, Jg. 91, Schweiz, vs. Maisha Samson, 76 kg, Jg. 84, Tanzania

Obschon Tavares (11-1-1, links im Bild) der einzige inferiore Gegner zugeteilt worden war, konnte sich der Fribourger aus Villars-sur-Glâne nicht wie gewünscht in Szene setzen.



Der unsauber boxende und klammernde Samson (17-15-5) musste mehrmals verwarnt werden und hemmte Tavares eindeutig an der Entfaltung seiner Qualitäten. Allerdings sucht der Schweizer noch zu oft den unüberlegten Angriffsmodus, um dem Publikum zu gefallen, anstatt sich auf seine boxerischen Qualitäten zu besinnen. Der Kampf endete trotzdem mit einem klaren Verdikt, konnte aber nicht überzeugen.

Die Jury wertete mit 60:52 Punkten für Tavares.

8x3 Runden: Alain Chervet, 64 kg, Jg. 90, Schweiz, vs. Giorgi Abramishvili, 64 kg, Jg. 94, Georgien

Auf den Hauptkampf des Abends waren Publikum und Experten gespannt. Chervet, (13-1-2, links im Bild), der sich mit der Uebernahme der Boxing-Kings beruflich neu positioniert hat, blickt boxerisch auf ein durchzogenes Jahr zurück. Nach seiner Niederlage im Mai gegen den starken Runowski (14-0-0) in Polen hat der Berner Profi nicht mehr geboxt. Die Faustregel sagt, dass Profis im Jahr durchschnittlich 3-4 Kämpfe austragen sollten. Daher stellte sich die Frage, wie Chervet die Herausforderung in Bern meistern würde. Umso mehr, als ihm nichts geschenkt wurde. Der junge Georgier Abramishvili (19-15-1) ist mit einer sehr guten KO-Quote von 9 vorzeitigen Siegen angereist und wollte dies sofort im Ring bestätigen.



Von der Physis her der geborene Puncher, legte er sofort einen Beweis seines Könnens ab. Er versuchte Chervet mit furiosen Schlaghageln in Verlegenheit zu bringen und die Aufgabe für den Berner war keineswegs einfach. Umso mehr darf man sich freuen, wie Chervet diesen Kampf gemeistert hat. Technisch und konditionell stark boxte er den Schläger aus Georgien aus, der aber mit dem Gewinn der dritten Runde bereits ein klares Zeichen seiner Gefährlichkeit gesetzt hatte. Für das begeisterte Publikum war es eine grosse Freude, dass Alain Chervet nichts von seinem Potenzial eingebüsst hat. Das wurde mit frenetischem Beifall verdankt. Nun steht die Zukunft des Berners wieder offen und zeigt nach oben. Wir dürfen gespannt sein. Die Wertung der Jury zeigt immerhin, dass es kein einfacher Kampf war. 79:73; 78:74; 77:75 werteten die Punktrichter den Kampf. Ein nicht ungefährlicher Kampf mit einem klaren Punktsieg für Alain Chervet.

Das letzte Wort: Promoter Leander Strupler hat bewiesen, dass man sich auf die nächsten Meetings freuen darf. Dafür spricht nicht nur das ausverkaufte Haus, sondern auch die Pflege kleiner, aber wichtiger Details. Die Medien wussten es beispielsweise zu würdigen, dass die nötige Infrastruktur zur Berichterstattung bereitgestellt war. Für das Publikum zählte aber vor allen das Atmosphärische: schwer beschreibbar, aber spürbar. Man erlebt es nur am Ring.

Momentaufnahme nach dem grossartigen Sieg: v.l.n.r.: Leander Strupler, Baby von Alain Chervet mit Frau, dahinter Schwergewichtler Mersin Ringsprecher Albin Albissaner interviewt Swiss Boxing-Präsident Andreas Anderegg. Ebenfalls im Bild: Strupler und Daniel Hartmann

 

 

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