«Momo» erwartet einen «schönen Kampf»

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24.12.2009 09:38 Uhr

Am Boxing Day im Kursaal finden zwei Titelkämpfe statt. Während Mittelgewichtler Yves Studer seinen Gürtel aufs Spiel setzt, bekommt Halbschwergewichtler Mohamed Belkacem die erste Chance, einen Titel zu gewinnen.

24.12.2009 - Die Kampfnamen von Berufsboxern sollen Respekt einflössen. Witali Klitschko zum Beispiel nennt sich «Dr. Eisenfaust», Yves Studer, das Aushängeschild von Daniel Hartmanns Boxing Kings, «Pitbull». Trainer Bruno Arati attestiert seinem Boxer, der am 26.Dezember im Kursaal seinen Mittelgewichtstitel als Champion der europäischen Nicht-EU-Länder gegen den Weissrussen Andrei Salakhutdzinau zu verteidigen versucht, folgerichtig «ungeheuren Biss», wobei er dies im übertragenen Sinn meint. Auch Mohamed Belkacem ist Profiboxer, auch er kämpft am Samstag um einen EE-EU-Gürtel, doch sein Übername löst keine negativen Assoziationen aus. «Momo» rufen ihn seine Freunde, und so heisst er auch im Ring. «Mein Vater hat mich immer so genannt, und der Name ist hängen geblieben», erzählt der 30-Jährige.

Belkacem ist in Algerien geboren; er lebt seit 2001 in Freiburg, ist seit 2003 mit einer Schweizerin verheiratet und seit gut drei Jahren in Besitz des roten Passes. Er vermisst hier manchmal seine Familie, die zwischenmenschliche Wärme, doch «in meinem Heimatland hätte ich meinen Sport nicht auf diesem Niveau ausüben können». Zweimal jährlich reist er nach Algerien, jeden Sonntag telefoniert er mit Familienmitgliedern. Wer nun glaubt, Belkacem sei schlecht integriert, irrt. Er fühlt sich wohl hier, arbeitet zu 100 Prozent als Box- sowie als Fitnesstrainer und ist im Sport erfolgreich. Er war einst Weltmeister im Vollkontaktkarate und im Kickboxen, doch mittlerweile konzentriert er sich, «weil sich als Kickboxer kein Geld verdienen, nicht Karriere machen lässt», auf das Faustgefecht.

Adrenalin und Ästhetik

Dieser Terminus ist im Zusammenhang mit Belkacem durchaus angebracht. Der Algerien-Schweizer führt eine feine Klinge. «Ich strebe nie eine Ringschlacht an, sondern versuche, meinen Gegner auszuboxen.» Dies gilt auch für das Duell mit Mahamad Aripgatsjew (WRuss). Der Titelverteidiger sei ein harter Brocken, sagt Coach Arati. «Er ist mit allen Wassern gewaschen und zudem grösser als Momo.» Belkacem streicht nach dem Studium einer DVD Aripgatsjews Ruhe und sauberen Stil heraus. «Es wird ein schöner Kampf.»

Weil er um einen Gürtel boxt, wird er sehr nervös sein. «In einem Titelkampf ist der Stress grösser – du schüttest mehr Adrenalin aus.» Trotzdem freut er sich auf das Meeting. «Ein Sieg kann mir viele Türen öffnen.» Mohamed Belkacem träumt davon, ein echter Champion zu werden. Und diese Bezeichnung verdient für ihn nur einer, der mindestens Europameister ist und diesen Titel mehrfach verteidigt. Der Weg zum Champion ist noch weit, doch vielleicht löst «Momo» in der Szene künftig auch negative Assoziationen aus. Berner Zeitung

Hoher Besuch aus den USA

Die Leser der Wirtschaftszeitung «Wall Street Journal» erfahren am 26.Dezember auf der Titelseite, dass in Bern geboxt wird.

TeleBärn und Star TV statt RTL und HBO. Im Gegensatz zum WM-Kampf Witali Klitschkos in der PostFinance-Arena wird das traditionsreiche Stephanstag-Meeting im Berner Kursaal keine globale Resonanz finden. Und doch berichtet ein Medium von Weltruf am 26.Dezember über die kleine, aber feine Boxveranstaltung, und zwar auf der Titelseite. Joel Millman vom renommierten «Wall Street Journal», der in Portland an der Westküste der USA lebt, flog am vergangenen Sonntag in die Schweiz –zwecks Augenschein im Trainingslokal der Boxing Kings. Der Amerikaner ist nicht Sportreporter, sondern ein Journalist, der sich vornehmlich mit politischen und gesellschaftlichen Phänomenen befasst. Zuletzt schrieb er unter anderem über den brutalen Drogenkrieg in der mexikanischen Millionenstadt Ciudad Juarez. Millman füllt zudem regelmässig die populäre Frontseitenkolumne. Übermorgen werden die «Wall Street Journal»-Leser auf die Namen Yves Studer und Daniel Hartmann stossen.

Der Hintergrund der witzigen Geschichte, die der am Dienstag abgereiste Millman erzählen will, ist, dass der zweite Weihnachtstag in Grossbritannien und anderen Commonwealth-Staaten Boxing Day heisst, aber rein gar nichts mit Boxen zu tun hat. Der Name ist auf die Tradition zurückzuführen, arme Menschen mit in Kisten verpackten Aufmerksamkeiten zu beschenken. Und eine Kiste nennen die Engländer «a box». Und die Erkenntnis, dass es in Bern einen Boxing Day gibt, an dem statt Geschenke Schläge verteilt werden, führte Millman zur Idee für besagte Kolumne. Weil die News-Lage über die Festtage gewöhnlich dürftig ist, fiel es ihm nicht schwer, seinen Chef von der Notwendigkeit der Reise nach Bern zu überzeugen. Über den Ausgang der Kämpfe wird Joel Millman seine Leser freilich nicht informieren. Schmunzelnd sagt er: «Wer gewinnt, interessiert in den USA keinen Menschen.»  Berner-Zeitung
 
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