Schweizermeisterschaften in Locarno. Der Bericht

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27.11.2018 21:23 Uhr

Ueli E. Adam (Text & Fotos, 26.11.2018)

73 Athletinnen und Athleten hatten sich zum wichtigsten Termin des Jahres eingeschrieben. Die Anmeldungen waren nur bei den Frauen leicht rückläufig. 19 Boxerinnen (Vorjahr 26)  und 54 Boxer (Vorjahr 49) kämpften um die Titel im olympischen Boxen. Das Team des Box Club Locarno, unter der Leitung von Präsident Americo Tomaz Fernandes Vieira, hat die Halbfinal- und Finalkämpfe im Tessin erstklassig organisiert.

Schweizermeisterinnen und Schweizermeister auf einen Blick:

Frauen bis 57 kg: Nicole VON KÄNEL, Box Team Thun Oberland

Frauen bis 64 kg: Stefanie HUNGERBÜHLER, Riverside Boxing Basel

Frauen bis 69 kg: Anaïs VINTALAS, Cercle des Sports Genève, Titelverteidigerin

Ohne Titel, da direkt für den Final qualifiziert (Statutarische Vorschrift), mit Medaille:

Frauen bis 60 kg: Natacha BAUD-GRASSET, Box Club Nyon

Männer bis 56 kg: Tiago PUGNO, Box Club Riazzino

Männer bis 60 kg: Angelo Rafael PENA, Boxing Kings Box Ring Bern

Männer bis 64 kg: Horia TRIF, Box Club Zürich

Männer bis 69 kg: Jonathan BRUNSCHWEILER, Box Club Glattbrugg

Männer bis 81 kg: Ukë SMAJLI, NAB Frenkendorf

Männer bis 91 kg: Jordan BILOA, Scorpion Gym Boxing Schaffhausen

Männer + 91 kg: Omondi Collins OJAL

Ohne Titel, da direkt für den Final qualifiziert (Statutarische Vorschrift), mit Medaille:

Männer bis 75 kg: Angel ROQUE, Box Club Zürich

Mannschaftsmeister: Box Club Glattbrugg

Siegerfoto mit (v.l.n.r. hintere Reihe): René Schlachter (Meisterschaftschef), nn, Rajko Bojanic (Trainer von Mannschaftsmeister BC Glattbrugg), Tiago Pugno, Jack Schmidli (Pràsident Technische Kommission), Stefanie Hungerbühler, Olympiasieger im Super-Schwergewicht Roberto Camarelle, Jonathan Brunschweiler, Angel "Floyd" Roque, Anaïs Vintalas, Verbandspräsident Andreas Anderegg, Organisator Americo Fernandez. Vordere Reihe: Omondi Collins "The African Lion" Ojal, Ukë "The Wolf" Smajli, Jordan Biloa, Angelo Pena, Horia Trif und Nicole von Känel.

Die Finalkämpfe

Elite Frauen bis 57 kg: Nicole von Känel, BT Thun Oberland vs. Pranvera Chappaz, BC Martigny

Die Thunerin hatte keine leichte Aufgabe. Die Walliserin Pranvera Chappaz war ein echter Prüfstein.

Von Beginn weg versuchte diese ihre physische Präsenz mit aggressivem Boxen zu ihrem Vorteil einzusetzen. Das sollte ihr nicht gelingen. Nicole von Känel, technisch auf der Höhe ihres Könnens und von der Ecke erstklassig unterstützt, holte sich mit einem verdienten 3:2 Sieg den Titel. Das war auch emotional von Bedeutung. Trainerin Christina Nigg begleitete die glückliche Siegerin, die offenbar den letzten Kampf ihrer Karriere absolvierte, mit viel Einfühlungsvermögen zur Siegerehrung.

Elite Männer bis 56 kg: Gabriel Tomàs, BC Martigny vs. Tiago Pugno, BC Riazzino

Die beiden erstklasigen Fighter sorgten sofort für Spannung im Saal. Obschon sie wegen der direkten Final-Qualifikation nicht um den Titel kämpfen konnten, legten sie los wie die Feuerwehr. Das sollte für den Walliser unangenehme Folgen haben. Mit einem präzisen Leberhaken wurde er von Pugno niedergestreckt. Sieger durch KO in der ersten Runde: Tiago Pugno.

Elite Frauen bis 60 kg: Natacha Baud-Grasset, BC Nyon, vs. Selina Verardi, Boxclub Bern

Für die beiden ambitionierten Kämpferinnen war ein Titelgewinn wegen der direkten Final-Qualifikation ebenfalls nicht möglich. Dafür entschädigten sie das Publikum mit einem spektakulären  Kampf. Verardi schien zu Beginn ihre technischen Qualitäten voll ausspielen zu können, aber Baud erwies sich als ebenbürtig und setzte die Bernerin mit Tempo, variableren Schlägen und dynamischem Vorwärtsgang unter Druck. Publikum und auch die Betreuer in der Ecke, die sich zu laut einmischten, sahen einen tollen Kampf. Siegerin mit 5:0 Richterstimmen: Natacha Baud-Grasset.

Elite Männer bis 60 kg: Angelo Rafael Pena, BK Boxring Bern vs. Sem Redai, BC Winterthur

Hier standen sich zwei aufstrebende Könner gegenüber, die einen erstklassigen Kampf ablieferten. Der von Alain Chervet gecoachte Berner (links im Bild) hat ein grosses Potenzial, überzeugt mit Schnelligkeit, Präzision und einem wirklich variablen Schlagrepertoire.



Obschon ihm der Winterthurer technisch nicht unterlegen war, musste er sich dank dem Tempo von Pena geschlagen geben. Es war ein Kampf, von dem sie viele Profis eine Scheibe abschneiden könnten. Sieger mit 4:0 Richterstimmen: Pena

Elite Frauen bis 64 kg: Marina Binggeli, Boxclub Bern, vs. Stefanie Hungerbühler, Riverside Basel

In diesem Kampf standen sich zwei Vorjahres-Meisterinnen gegenüber. In einem animierten Gefecht, technisch auf der Höhe, bewiesen sie, dass Frauenkämpfe immer interessanter werden. Beide strebten den Titel mit unterschiedlichen Mitteln an: während die Bernerin mit Boxen aus der Distanz punktete, überzeugte die Baslerin mit ihrer boxerisch beeindruckenden Dynamik. So sahen die Punktrichter den Kampf: Siegerin mit 1:4 Richterstimmen: Stefanie Hungerbühler

Elite Männer bis 64 kg: Horia Trif, BC Zürich vs. Julien Baillifard, BC Martigny

Für einen boxerischen Höhepunkt sorgten auch diese beiden. Der Zürcher Trif (links im Bild), der sich in den Ausscheidungen schon gegen starke Gegner durchgesetzt hatte, startete als Favorit in den Kampf. Der Mann aus Martigny liess sich durch diese Prognose nicht beeindrucken.



Er kämpfte auf Biegen und Brechen um den Sieg, hatte aber gegen den Zürcher schliesslich keine Chance. Sieger mit 5:0 Richterstimmen: Horia Trif

Elite W bis 69 kg: Anais Vintalas, Cercle des Sports, Genève, vs. Anna Julia Jenni, Boxteam Basel

Die beiden Damen bewiesen das schon bei den anderen Frauenkämpfen gesagte: Mit einem Top Kampf verwöhnten sie das Publikum. Die Vorjahresmeisterin aus Genf musste sich mit der dynamischen Jenni hart auseinandersetzen. In einem tempogeladenen Kampf, in dem beide Kämpferinnen erstklassige Qualitäten aufblitzen liessen, schenkten sie dem Publikum einen Spitzenkampf. Die Vorjahresmeisterin Vintalas siegte schlussendlich mit 4:1 Richterstimmen.

EM bis 69 kg: John Al Gamboa, Olympic BC Genève, vs. Jonathan Brunschweiler, BC Glattbrugg

Der Genfer wollte von Beginn weg wie der spätere Sieger aussehen. Im dynamischen Vorwärtsgang suchte er den Titel, zahlte aber für zu forsches Auftreten mit Schlägen des Gegners, die ein Anzählen erforderten. Beeindruckend war aber nicht nur die Schlagkraft von Brunschweiler (links im Bild).



Hier reift ein Talent heran, von dem wir noch hören werden. Mit Schnelligkeit, Präzision und Schlaghärte sorgte er für das Verdikt: mit einem RSC-H traf er Gamboa in der 2. Runde entscheidend und holte sich den Titel

Elite Männer bis 75 kg: Angel "Floyd" Roque, BC Zürich, vs. Herry Saliku-Biembe, NAB Frenkendorf.

Einen Kampf der absoluten Spitzenklasse lieferten sich zwei Männer, die wegen der Direkt-Qualifikation nicht um den Titel kämpfen konnten. Vorjahresmeister Roque (rechts im Bild) traf auf einen Mann mit interessanter Vergangenheit, nach langen Wirren reamateurisiert, und für alle Gegner furchterregend. Schon 2006 hatte Saliku-Biembe in der Meisterschaft Jean-Noël Joos entthront und seither von seiner Schlagkraft nichts eingebüsst. Die beiden zeigten einen Kampf, der jedem Publikum gefallen hätte, aber den Offiziellen an der Punktemaschine zu schaffen machte.



Selten sieht man einen Mann, der wie Saliku-Bieme lange Gerade blitzschnell in gefährliche Haken verwandeln kann. Der junge Roque hingegen beeindruckte mit seiner Abgeklärtheit: selten mit derartigen Schlagmaschinen im Ring, wusste er sich trotzdem sehr gut zu halten und mit präzisen Angriffen zur Aufstockung seines Punktekontos zu sorgen. Mit dem Urteil waren schliesslich nicht alle einverstanden: Roque siegte mit 4:0 Richterstimmen und hat bewiesen, dass er auch gegen starke Gegner begeistern kann. Aber bei jeder Begeisterung für den jungen Champion aus Zürich muss gesagt sein: es war knapp.

Elite Männer bis 81 kg: Georgi Krilov Svechev, BC Locarno vs. Ukë "The Wolf" Smajli, NAB Frenkendorf

Der Rekordmeister aus Zürich (links im Bild), nun für Frenkendorf startend, (Titel 2012, 2013, 2014, 2015) kommt nach einer längeren Sperre und Verletzungspause souverän zurück. Es sind nicht nur die Titel, sondern der ganze Mann, der zu begeistern weiss. Smajli gehört zu den absoluten Ausnahmekönnern und die Schweiz freut sich zu Recht, einen grossen Boxer in ihren Reihen zu wissen.



Am Sonntag war der Gegner im Ring glücklicherweise auch nicht von Pappe. Der Lokalmatador aus Locarno lieferte dem Favoriten einen beherzten Kampf und beim genauen Hinschauen konnte man durchaus sehen, dass er Smajli gefordert hat. Man darf nur wünschen, dass seine Deckung weniger lässig daherkommt. Auch Svechev wird noch für viele gute Kämpfe sorgen. Der Brillan von Smajli war er diesmal aber noch nicht gewachsen. Sieger mit einem 0:5 Verdikt: Ukë Smajli.

Elite Männer bis 91 kg: Jordan Biloa, Scorpion Gym Boxing, vs. Enis Amiti, BC March

Der 19-jährige Schaffhauser darf als Zukunftshoffnung gesehen werden. Schon jetzt sichtbar gut ausgebildet, beeindruckt er nicht nur mit boxerischem Können, sondern auch mit seiner imposanten Physis. Dieser Physis und den punktgenauen Händen von Biloa war Amiti nicht gewachsen. In der zweiten Runde musste der Kampf vernünftigerweise mit einem RSC gestoppt werden. Der Ringrichter hat richtig entschieden. Sieger durch RSC: Jordan Biloa

Elite Männer + 91 kg: Stefan Rumpold, BC Brugg, vs. Omondi "The African Lion" Collins Ojal, BC Glattbrugg

Einleitend ein grosses Lob dem späteren Verlierer. Stefan Rumpold (rechts im Bild) hat im Ring gezeigt, wie man auch beeindruckende Gegner in Schach halten kann. Ojal hatte im Halbfinal den Vorjahresmeister Ewene mit einem schweren KO besiegt und man sah schon zu Beginn des Finals, dass er dies mit Rumpold genau so machen wollte.



Trotz gutem Auge, enormer Schlagkraft und Dynamik ist ihm dies im Final nicht gelungen. Rumpold hat mit einem sehr intelligenten Boxen bewiesen, was gegen derartige Gegner möglich ist. Die Wertung von 2.3 beweist auch, dass die Jury durchaus auch sehr gute Leistungen des Bruggers zu würdigen wusste. Trotzdem war klar, wer der neue Meister im Top-Gewicht ist: Omondi Collins Ojal.

Beste Boxerin – Bester Boxser

Als beste Boxerin des Turniers wurde Stefanie Hungerbühler, Riverside Basel, ausgezeichnet. Bei den Herren kam diese Ehre Angelo Rapühael Bena, BK Boxring Bern, zuteil.

Fazit: sehr gute Meisterschaften, gute Leistungen der Jury, ein Kompliment an Meisterschaftschef René Schlachter mit der Organisation um die Punktemaschine und Ringrichter, die einen Kampf rechtzeitig abbrechen.

Das lezte Wort: man darf durchaus auch die Medaillengewinner, denen ein Titelgewinn aus statutarischen Gründen (Direkt-Qualifikation Final) nicht möglich war, wie die Meister ehren und würdigen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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