Der letzte Zampano

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04.01.2010 16:21 Uhr

Erinnerungen an Rolf H. Dietrich (1935 – 2009)


Von Angelo Gallina.


04.01.2009 - Die Erste Begegnung liegt beinahe 25 Jahre zurück als Rolf H. Dietrich im Keller des Boxclub Basel erschien neben mir stand und meinte, ich sollte die Birne richtig behandeln, zeigte ein paar Schläge von blosser Faust und verschwand wieder.

 

Ich habe seine geschlagenen Jab’s heute noch in meinem musikalischen Gedächtnis gespeichert. Wer war wohl dieser leicht nach vorne gebückte ältere, gewichtige Mann, den ich nie vorher gesehen habe, der mit einem ein wenig zu grossen Mantel bekleidet, kurz erschien und mir, dem damals heissblütigen Untergrundfighter Ratschläge verteilte? Warum gab er mir Tipps und was meinte er genau mit "richtig behandeln"?

Es war Rolf H. Dietrich, der letzte Zampano des Boxbuissness. Das wandelnde Gedächtnis des Schweizer- und Basler- Boxsports, Förderer, Begleiter, Berater und Visionär. Nebenbei war er Geschäftsführer eines kleinen und erfolgreichen Verlags und als Vater zweier Töchter, Ehemann einer wundervollen lieben Frau, Familienmensch wie auch Hundeliebhaber.

Der Hund war es, der ihn in den Jahren nach dem Boxen stets noch auf Trab hielt. Von früh morgens bis spät nachts. Der Hund hat auch mich auf seine Weise gemocht als ich ihn besuchen kam. Er biss mich stets in die Hand, was Rolf stets zum Lachen brachte und mich langsam zum Hundephobiker mutieren liess. Der Emailkontakt belebte unsere Beziehung seither.

Jahrzehntelang hat sich Rolf dem Boxssport gewidmet. Er nahm an unzähligen Verbandsratsitzungen teil, war als Präsident und Wettkampfbegleiter für den Boxclub Basel stets unterwegs. Jahrelang hat er den ebenso aktiven Boxförderer und vor einem Jahr verstorbenen ehemaligen Verbands-Präsidenten Robert Nicolet unterstützt. Rolf H. Dietrich hat für den Boxsport gelebt. Seine Tochter sagte mir gutgemeint kürzlich, der Boxsport war auch ein Teil ihres eigenen Lebens geworden.

Rolf Dietrich unterstützte auch Boxfreunde ausserhalb des Rings, ermöglichte ihnen ein Leben neben dem Boxen und verschaffte ihnen die nötigen Kontakte in der Berufswelt. Als wir im Sommer nicht trainieren konnten, bastelte er uns in der Mansarde im 5. Stock seiner Firme ein Boxgym. Das Treppensteigen war die Aufwärmzone. Ich nahm stets den Lift was ihm nicht gefiel.

In meiner Erinnerung war er stets der Mann im Hintergrund. Bei meinem ersten Kampf fuhren wir nach Bern. Es war damals Sepp Itens letzter Auftritt im Bierhübeli und mein erster. Ich gewann den Kampf und wir fuhren leise, nach vertilgter Bratwurst mit seiner eleganten Limousine wieder nach Basel. Dasselbe Szenario bei unserem letzten gemeinsamen Kampf wo wir nach Frankfurt an ein Länderkampf fuhren und ich gegen den polnischen Meister ein Unentschieden boxte. Er war stolz und schwärmte bereits von vielen weiteren Taten.

Er war auch bei Niederlagen dabei, dann war es leise auf der Rücksitzbank seines Mercedes und er führte uns im Nachhinein nach Hause. Mit Luzius Luzi und Beat Ruckli belebten sie im 1991 den Boxclub Sissach neu. Zahlreiche Meisterboxer kamen dort hervor.

Der letzte Lebensabschnitt war gekennzeichnet durch die Krankheit, welche ihn häufiger als ihm lieb war mit dem Krankenbett verband. Runde um Runde kämpfte er sich hier voran. Auch dort konnte er das Boxen nicht lassen und wettete mit dem Chefarzt auf Boxkämpfe und sie tauschten alte Boxgeschichten aus. Kaum zu Hause zurück, gab er durch Annoncen im Boxsport bekannt, dass er alte Boxbücher und Poster suche damit er seine Boxgeschichte vervollständigen könne.

Bei meinem letzten Besuch meinte ich zu ihm. „Rolf, wenn das so weiter geht stehst du bald wieder in meiner Ecke...“ wir lachten.

Vor einer Woche verstarb Rolf H.Dietr
ich. Er wird immer in meiner und unserer Ecke stehen.

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