Nicole Boss bereit für Titelkampf

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05.02.2011 19:17 Uhr

Bericht von Gérald Kurth (Text) und Ueli E. Adam (Fotos)

05.02.2011 - Das Positive vorweg: Nicole Boss machte in ihrem Aufbaukampf gegen eine inferiore Gegnerin aus Serbien kurzen Prozess und beendete diesen noch in der zweiten Runde. Auch wenn der kurze Berner Formtest kaum echte Aufschlüsse zulässt, scheint Boss gerüstet für ihren EBU-Titelfight Anfang März in Belgien.

Riad Menasria ist zurück. Nach anderthalb Jahren Abwesenheit gestaltete er sein Comeback solide und gewann, ohne eine Runde abzugeben. Allerdings fehlten die ersehnten magischen Momente beim Auftritt von „L’artiste“, mit denen er das ihm gegenüber bekannt reservierte Berner Publikum wieder für sich hätte einnehmen können. Dieses zeigte sich nämlich am ersten, von der Berner Boxacademy (der neue Stall der Ex-Profis Vito Rana und Sascha Müller) ohne jegliches Beiwerk organisierten Boxevent durchaus begeisterungsfähig. Im etwas kleinen, dafür umso stimmigeren Sternensaal in Bern-Bümpliz liess sich dieses gerne aus der Reserve locken, auch wenn einige Kämpfe leider nicht hielten, was die Affiche versprochen hatte.

Die Profikämpfe

Leichtgewicht

Nicole Boss (CH) vs. Ines Čelik (SER)

Alles hätte gepasst beim Aufbaukampf der von Sascha Müller und Vito Rana betreuten Nicole Boss für ihren EBU-Titelkampf vom 5. März in Belgien. Das Publikum bejubelte den Einmarsch der physisch beeindruckenden Lokalmatadorin schon fast frenetisch, und deren Gesichtsausdruck verriet Konzentration und Entschlossenheit. Nach anderthalb Runden war der Kampf aber schon vorbei: Die Serbin hatte dem Trommelfeuer von Nicole Boss nichts entgegen zu setzen, so dass sie sich verteidigungsunfähig wegdrehte und zurecht aus dem Kampf genommen wurde. In die erste Pause hatte sie sich noch retten können, nachdem Boss wie die Feuerwehr losgelegt hatte und permanent schlagend vorwärtsgestürmt war. Zu mehr Gegenwehr hatte jedoch die bescheidene Čelik schlicht nicht die Kraft und nötige Klasse. Gerade wegen des leichten TKO in der zweiten Runde erlaubte dieser Kampf allerdings Nicole Boss nicht die erhofften Aufschlüsse über ihren tatsächlichen Formstand. In einem Monat wird sich in Belgien weisen, ob die lange Trainingsplanung auch mit der erhofften Punktlandung gekrönt werden kann. 


 "Ruhe vor dem Sturm": Nicole Bosse (l.) kurz vor ihrem finalen Angriff

Schwergewicht

Ivo Andelić (CH) vs. Pál Bohus (UNG)

Auch dieser Kampf endete für die Zuschauer enttäuschend früh, mit einem lupenreinen KO in der dritten Runde. Dieser hatte sich eigentlich schon in der ersten Runde abgezeichnet: Zu eklatant war die Überlegenheit des Ragazers. Zu gross vor allem die Angst des Ungaren, der nur knapp das Limit erfüllte und im Cruisergewicht wohl besser aufgehoben wäre. So befand sich Bohus fast ständig auf der Flucht vor Andelić, der seine Beute eiskalt umschlich, bevor er begann, ihr richtig wehzutun. Und dass er fürchterlich zuschlagen kann, bekam Bohus dann in der dritten Runde richtig zu spüren, als er endgültig zu Boden musste. Der bullige Andelić weist als Professional damit weiterhin eine makellose Bilanz auf. Er hätte es aber verdient, bald einen Gegner vorgesetzt zu bekommen, der diesen Namen auch verdient, weil er bislang ganz offensichtlich weit davon entfernt ist, sein ganzes Potenzial ausschöpfen zu müssen... 

 
Ivo Andelic (l.) beendete seinen Kampf mit einem KO-Schlag auf die Leber von Pohus


Weltergewicht

Riad Menasria (CH) vs. Stanislav Sakić (BiH)

Als Hauptevent des Abends angekündigt war das Comeback des Berners Riad Menasria, der über anderthalb Jahre keinen Ernstkampf mehr bestritten hatte. Menasria meisterte diese Bewährungsprobe solide, wenn auch glanzlos. Dazu war sein bosnischer Gegner, der mit einer fast komplett negativen Kampfbilanz angereist war, insgesamt zu limitiert. Auch der neue Menasria liess sich noch immer vereinzelt dazu hinreissen, mitunter fahrig oder gar unernst aufzutreten. Das könnte er getrost bleiben lassen, denn dass er boxen kann, ist hinlänglich bekannt. So liess er seine Klasse zu selten aufblitzen. Dabei brächte er seine langen Hände problemlos ins Ziel, könnte prächtige, ansatzlos geschlagene Haken zum Kopf bringen und seine noch immer beeindruckend schnell geschlagenen Serien abfeuern. So ging denn ein Kampf über die Runden, bei dem Sakić wenig mehr machte, als mit einer etwas porösen Doppeldeckung stehen zu bleiben, wenn Menasria nach vorne kam. Da dieser aber gleichzeitig nicht den unbedingten Willen zum Sieg an den Tag legte, kam das Publikum auch im dritten Profikampf des Abends nicht wirklich auf seine Kosten.

Das Verdikt:

Alle drei Punktrichter (Domenico Gottardi, Roger Haug, Thomas Zimmermann) werten den Kampf mit 60:53 für Menasria.  


Gewann jede Runde gegen infororen Gegner: Riad  "L'Artiste" Menasria (l.)

 
Die Amateurkämpfe

Leichtgewicht :

Mentor Aliti (BG Durante Bern) vs. Rekibi Koceila (BC Villars-sur-Glâne)

Ein typischer Kampf zweier übermotivierter Jungspunde: Der Romand arbeitete anfangs besser mit seinem Jab und konnte dank der grösseren Reichweite punkten. Mit zunehmender Kampfdauer konnte ihn aber Aliti mehr und mehr bedrängen, obwohl seine Schwingerserien zumeist sehr impulsiv waren und zwar schnell, aber doch vorhersehbar vorgetragen wurden. In der dritten Runde wurde dann fast nur noch geklammert. Fazit: Wenig erbauliches Boxen, der Mehrheitsentscheid (2:1) zugunsten Aliti ging aber insgesamt in Ordnung, weil der Berner viel mehr schlug und dabei auch mehr Punkttreffer verbuchen konnte.

Halbweltergewicht:

Said Ahmed (Box Academy Bern) vs. Egzon Maliqaj (BC Gebenstorf)

Ahmed ist erst siebzehn Jahre alt, aber als bei seinem Einmarsch tosender Applaus aufbrandete, wähnte man sich für einen Augenblick an einem echten Titelkampf. Auch wenn der junge Iraker seinem schon jetzt gewaltigen Rendement nicht gerecht werden konnte und verlor, war doch ersichtlich, dass da ein viel versprechendes Talent heranwächst. An diesem Abend aber hielt ihn Maliqaj noch in Schach, und, das muss man ohne Wenn und Aber eingestehen, mit einer reifen und abgeklärten Leistung. Ahmed trieb seinen Gegner aus dem Aargau zwar mehrheitlich vor sich her. Maliqaj nutzte aber jede sich bietende Gelegenheit, um den Berner zielgenau abzukontern. Er wechselte überraschend die Laufrichtung, variierte sein Schlagrepertoire und schlug überlegt. Auch als er zweimal zu Boden ging, war weniger Schlagwirkung als vielmehr ein Ausrutscher die Ursache. Die Mehrheitsentscheidung zugunsten des erfahrenen Maliqaj ging letztlich absolut in Ordnung. Wenn Ahmed in Zukunft nicht nur sein boxerisches Können verfeinert, sondern auch seine strategische-taktische Kampfgestaltung verbessert, kann er jedoch noch viel erreichen.... 


 Eghzon Maliqaj (l.) vs. Said Ahmed

Mike Binggeli (l.) v.s, Gürkan Akgün


Halbmittelgewicht:

Mike Binggeli (Box Academy Bern) vs. Gürkan Akgün (BC Villars-sur-Glâne)

Der insgesamt attraktivste Amateurkampf des Abends: Binggeli präsentierte sich ebenso wie Akgün in bester körperlicher Verfassung, wobei der Romand dank seiner Athletik auch noch einen Tick härter schlagen kann. Gleichzeitig waren beide enorm wendig und verrichteten viel Fussarbeit, so dass sich ein temporeicher Schlagabtausch entwickeln konnte. Akgün konnte über die gesamte Kampfdauer gesehen mehr Hände ins Ziel bringen, aber es war erstaunlich, dass sich Binggeli selbst von mehreren technisch einwandfrei geschlagenen Haken zum Körper kaum beeindrucken liess und nie aufsteckte. Gegen Ende hätte er fast noch mit der Brechstange Erfolg gehabt, als Akgün für einen Moment etwas kurzatmig wirkte. In der Endabrechnung hatte er aber mit der Mehrheitsentscheidung gegen seinen tapferen Berner Gegner zurecht die Nase vorne. 

 
Bleibt auch nach seinem 11. Amateurkampf ungeschlagen: Micha Nigg  (l.)


Mittelgewicht:

Fabian Brown (Box Academy Bern) vs. Mischa Nigg (BTO Thun)

Beide Boxer präsentierten sich in blendender körperlicher Verfassung und verrieten ihre solide boxerische Schulung. Schnell aber wurde deutlich, dass Brown zwar mehr in der Vorwärtsbewegung war, das Schlagen hingegen seinem Gegner aus Thun überliess. Nigg schlug regelmässig lehrbuchmässige Konter mit rechts, oft sogar über Browns hängenden Jab hinweg. So sehr Nigg über dem Brustbereich dominierte, so wenig arbeitete er allerdings unten zum Körper. So erhob er zwar Anspruch auf Lufthoheit, beraubte sich aber gleichzeitig der Möglichkeit, dank seiner Schnelligkeit auch mit Crosses oder Haken zum Körper Punkte zu sammeln. Auch so reichte es dem Thuner jedoch zum verdienten und eindeutigen Punktesieg (3:0).

 
Halbschwergewicht:

Ahmad Hertani (Box Academy Bern) vs. Ivan da Silva (BTO Thun)

Solange Hertanis Kräfte reichten, hatte er seinen Thuner Widersacher optisch unter Kontrolle. Der arbeitete sich zwar beharrlich nach vorne. Hertani bewies aber in der Rückwärtsbewegung immer wieder sein gutes Auge und stach regelmässig zu. Da Silva profitierte aber von seiner einwandfreien körperlichen Verfassung und nagelte den Berner gegen Ende des Kampfes immer häufiger in der Ringecke fest, wo er immer häufiger punktete. Der zuvor beweglichere Hertani schlug unkoordinierter, und so hiess am Ende der logische Sieger da Silva. Die eindeutige Wertung (3:0) zugunsten von da Silva war allerdings insgesamt etwas fragwürdig, obschon der Thuner speziell in der 2. und 3. Runde effektiv mehr gepunktet hatte.


Sherif Osmani (Box Academy Bern) vs. Nico Häusler (BC Gebenstorf)

Ein Kampf, der mit dem Gebenstorfer einen verdienten und logischen Sieger hatte. Zu eindeutig war der Unterschied in der Umsetzung der Marschrouten: Während sich Häusler entschlossen, fast stoisch nach vorne arbeitete und so seine doch beträchlich kleinere Reichweite wett machte, liess sich Osmani zumeist zurückfallen, um dann urplötzlich aggressiv, aber wenig präzis zu kontern. Dass er dabei auch oft mit der Innenhand schlug, brachte Häusler nicht aus dem Konzept. Im Gegenteil: In der dritten Runde spielte er auch seine eklatanten konditionellen Vorteile aus und setzte vermehrt Wirkungstreffer am Mann, so dass Osmani zwei Mal angezählt werden musste. Ein Fragezeichen ist einzig hinter die Wertung zu setzen, denn Häuslers Sieg kam überraschend knapp durch Mehrheitsentscheid (2:1) zustande. 


 Ahmad Hertani (l.) vs. Ivan da Silva

Sherif Osmani (l.) vs. Nico Häusler

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