Aniya Seki ist GBU-Weltmeisterin, Yves Studer bleibt nach Energieleistung Champion

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21.08.2011 10:37 Uhr

Bericht von Gérald Kurth (Text) und Philippe Riedi (Fotos)

21.08.2011 - Am Ende war der Berner Kursaal wider Erwarten fast ausverkauft: Promotorin Barbara Trachsel war mit der – allerdings auch bedingt durch Yves Studers Sprunggelenkverletzung im Mai – Verschiebung auf den ungünstigen Augusttermin ein beträchtliches Wagnis eingegangen. Dass der Abend letztlich doch noch zum sportlichen und finanziellen Erfolg wurde, war der Affiche mit zwei Titelkämpfen zu verdanken: Neben Studers Titelverteidigung nach Version IBC kämpfte auch Aniya Seki um den vakanten Titel im Superfliegengewicht der Global Boxing Union (GBU). So fanden sich nach harzigem Vorverkauf trotz strahlendem Sommerwetter noch viele Kurzentschlossene ein, die eine hervorragend disponierte Seki zu einem eindeutigen Sieg peitschten. Yves Studer konnte seinen Titel nach einer bewundernswerten Willensleistung behalten: Obwohl er ab der 9. Runde durch einen üblen Cut über dem linken Auge lädiert war, überstand er den Kampf und konnte am Ende gar noch zulegen. Das Unentschieden gegen seinen ausgezeichneten Gegner, Siarhei Khomitski aus Weissrussland, war absolut verdient und gerecht.
 

Die WM-Kämpfe

Superfliegengewicht

Aniya Seki (Boxing Kings, CH) vs. Natascha Guthier (GER)

Auch wenn die GBU ein Verband ist, der die globalen Kräfteverhältnisse im Frauenboxen trotz seines mit dem Namen bekundeten Anspruchs kaum repräsentativ abbildet: Die Demonstration der Berner Lokalmatadorin Aniya Seki war in dieser Deutlichkeit doch überraschend. Natascha Guthier, ihre Gegnerin aus Karlsruhe, hatte nicht den Hauch einer Chance. Zu sicher war das Distanzgefühl Sekis, zu entschlossen ihre einfachen, aber wirkungsvollen Links-Rechts-Kombinationen, die regelmässig am Kopf Guthiers einschlugen. Es war auch beeindruckend mitzuerleben, wie Aniya Seki sich kein einziges Mal beschwerte oder aus dem Konzept bringen liess, wenn ihre Gegnerin mit den Innenhänden schlug. Ganz im Gegensatz zu ihrem temperamentvollen Coach Bruno Arati, dem ob der regelmässigen irregulären Schläge verständlicherweise mal der Kragen platzte. 

 

Einen echten Grund zur Besorgnis gab es aber nicht, weil Seki von der ersten bis zur letzten Runde konsequent punktete. Häufig brachte sie gar Konter aus dem Rückwärtsgang ins Ziel, wenn Guthier mal wieder offen nach vorne preschte und ohne Präzision den Lucky Punch anstrebte. Zu selten zeigte Seki allerdings, wo sie noch Potenzial besässe: Mehrfach schlugen ihre kurzen linken Haken zum Kopf ein, zweimal war sie mit Upper Cuts erfolgreich. Schläge zum Körper hingegen waren keine zu sehen. Wenn Seki noch konsequenter an der Erweiterung ihres Schlagrepertoires arbeitet, dann wird sie auch für Gegnerinnen unberechenbar, die einen ganz grossen Gürtel im Frauenboxen tragen...

Die Wertung:

Jean-Louis Legland                                       100: 90

Beat Hausammann :                                      100: 91

Ernst Salzgeber:                                              98: 92 

 

Mittelgewicht

Yves Studer (Boxing Kings, CH) vs. Siarhei Khomitski (BLR)

Der Weissrusse Khomitski erwies sich schnell als der unangenehme Gegner, den viele im Vorfeld befürchtet hatten. Der brachte im Gepäck zwar neben 24 Siegen auch acht Niederlagen mit. Khomitski hat aber schon so einiges geboxt, was in seiner Gewichtsklasse Rang und Namen hat, u.a. Lukáš Konečný oder Gennadij Golovkin, die beide bald wieder um die WM boxen werden.

Nach einer ersten Runde des gegenseitigen Abtastens ging Wühler Studer vermehrt nach vorne. Wie gewohnt hielt er den Kopf, von einer kompakten Doppeldeckung geschützt, abgeduckt nach vorne. Auch diesmal wollte er damit den Gegner zum Einsatz des Jabs verleiten, um dann blitzschnell empor zu schnellen und mit kurzen Kopfhaken die entstandenen Lücken auszunutzen.

Oft sprang er allerdings auch so nah an den Mann heran, dass er keine Schlagwirkung mehr erzielen konnte. Der Russe schützte sich mehrfach dagegen, indem er die Schulter nach vorne drehte, was Ringrichter Jean-Louis Legland sofort unterband. Abgesehen davon war Khomitski ein absolut fairer Gegner, der blitzschnell kleinste Freiflächen erspäht und für knackige Körperhaken auszunützen versteht.



Nachdem Studer die erste Kampfhälfte für sich entschieden hatte, kam Khomitski auf und ging nun seinerseits mehr nach vorne. Eine Schrecksekunde dann in der neunten Runde: Khomitski traf Studer voll über dem linken Auge, kaum war der Gong erklungen. Das ins Auge fliessende Blut behinderte sofort Studers Sicht, und die erste Niederlage in seiner Karriere zeichnete sich plötzlich ab. Der Berner stemmte sich aber mit aller Macht gegen den drohenden TKO und überstand die Runde, was das Publikum mit begeistertem Applaus quittierte. Natürlich visierte Khomitski sofort wieder den klaffenden Cut an, aber Studer zog seine Deckung noch weiter zum Auge hoch und liess den entscheidenden Schlag nicht mehr zu. Weil er mitbekommen hatte, dass der Kampf auch auf den Punktzetteln höchst umstritten war, ging er sogar noch in die Offensive.

Die elfte Runde entschied er nach mehreren mutig vorgetragenen, herrlichen Treffern für sich. In der letzten Runde feuerten beide noch mal aus allen Rohren. Das belegte nicht zuletzt, in welch hervorragender körperlicher Verfassung sie waren. Studers Leistung verdient grössten Respekt, und das Unentschieden ist keinesfalls gestohlen. Im Gegenteil: Bedenkt man, dass er zumindest in der ersten Kampfhälfte als amtierender Champion in jeder Runde nach vorne marschierte und optisch dominierte, dann wird klar, dass er als Einheimischer auf den Punktzetteln sicher nicht bevorteilt wurde.

Die Wertung:

Ernst Salzgeber:                              115: 114 (Studer)

Fabian Guggenheim                        114: 114

Beat Hausammann:                         112: 117 (Khomitski)

 

Die Profikämpfe

Mittelgewicht

Vitaliy Kopylenko (BC Ascona, UKR) vs. Raman Dzekhkanau (BLR)

Das Berner Publikum hatte schon verschiedentlich Gelegenheit, den Rohdiamanten aus dem Tessin zu bewundern. Der von Swissboxing Sportmanager Federico Beresini betreute Kopylenko gab auch diesmal eine höchst eindrückliche Visitenkarte in der Hauptstadt ab. Sie war dementsprechend kurz. Schon in ersten Runde schickte der Ukrainer seinen keineswegs inferioren weissrussischen Gegner Dzekhkanau mit links zum ersten Mal zu Boden. Es war eine Frage der Zeit, bis Kopylenko den Kampf in der zweiten Runde beenden würde.



Nach 1:40 war es dann soweit: Nachdem er den Weissrussen vor sich her durch den Ring getrieben hatte, feuerte er einen gewaltigen rechten Schwinger ab, der Dzekhkanau buchstäblich von den Beinen holte. An eine Fortsetzung des Kampfes war nicht mehr zu denken, obwohl sich der Weissrusse wieder halbwegs aufrappelte. Deshalb wurde der Kampf mit TKO statt KO gewertet. Kopylenko verbucht nun nach 15 Profikämpfen ebenso viele Siege. 
 

Schwergewicht

Arnold Gjergjaj (BC Basel, CH) vs. Férenc Zslaszek (UNG)

Der undankbar platzierte Schwergewichtskampf am Ende des Abends war gleichzeitig der uninspirierteste: Der Basler Gjergjaj war durchaus willig und versuchte den Kampf zu gestalten, fand aber im kurzfristig als Ersatz eingesprungenen ungarischen Gegner Zslaszek keinen Partner, der mitboxen wollte.



Obwohl einen Kopf grösser und besser austrainiert als der Ungare, schaffte es Gjergjaj nicht, diesen zu dominieren und aus der Distanz konsequent auszupunkten. Der Ungare blutete zwar bald einmal kräftig aus der Nase. Letzlich musste er aber aus dem Kampf genommen werden, weil er in der letzten Runde dreimal absichtlich den Mundschutz ausspuckte. Zuvor hatte er schon seine offensichtlich mangelhafte konditionelle Verfassung demonstriert, als er sich von Gjergjaj wegdrehte.
  

Die Amateurkämpfe

Mittelgewicht:

Mischa Nigg (Box Gym Thun, CH) vs. Kreshnik Nikq (BC Zürich, CH)

Beide Boxer präsentierten sich in blendender körperlicher Verfassung und verrieten ihre hervorragende boxerische Schulung. Nigg und Nikq schlugen während drei Runden mit hoher Frequenz, wobei die Punches fast immer Resultat sauberer Kombinationen oder aber das Produkt einer blitzschnell erkannten Chance waren. Bei aller Intensität war der Fight zu keinem Zeitpunkt unsauber. Kurzum: Bestes Amateurboxen zweier vorbildlicher Kämpfer, die sich auch international noch Respekt verschaffen werden.

Dass der Punktesieg des Thuners letztlich zu deutlich ausfiel (3:0), war in erster Linie auf seine hervorragende Fussarbeit zurückzuführen. Zwar punktete Nikq immer wieder trocken oben durch die Mitte oder zum Körper. Nigg wiederum schlug regelmässige saubere Kombinationen zu Kopf und Körper. Im Anschluss allerdings brachte er jeweils mit blitzschnellen Ausfallschritten sofort wieder Distanz zwischen sich und seinen Gegner. So wirkte es, als würde er insgesamt weniger getroffen. Zudem blutete Niq ab der zweiten Runde auch aus der Nase, was in einem insgesamt sehr ausgeglichenen und hochstehenden Fight den zu deutlichen Ausschlag zugunsten Niggs gab.
 

Leichtweltergewicht:

Alain Chervet (Boxing Kings, CH) vs. Daniel Egbide (BC Genève, CH)

Chervet, Neffe der Berner Boxlegende Fritzli Chervet, zeigte gegen seinen Genfer Gegner eine insgesamt sehr ansprechende Vorstellung. Beide Boxer bewiesen trotz ihres jugendlichen Alters viel strategisches Verständnis. Zudem haben sie, angesichts ihrer tiefen Gewichtsklasse, ordentlich Dampf in den Fäusten. Am Ende hatte Chervet dank seiner viel grösseren Reichweite seinen Gegner zermürbt. Dieser musste in der dritten Runde verstärkt klammern, nachdem er zuvor noch zahlreiche effiziente Konter abschliessen konnte. Chervet wiederum brachte mehrere ausladende Schwinger ins Ziel. Diese blieben zwar ohne grosse Schlagwirkung, verrieten aber gute Technik und dosierte Risikobereitschaft. 

 

Resultate 

Robert Nicolet Trophy

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