Frank Erne als erster Schweizer Boxer in der IBHOF

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13.12.2019 11:33 Uhr
Jack Schmidli / Daniel Hartmann

Sie heissen Fritz Chervet, Enrico Scacchia, Mauro Martelli, Walter Blaser, Stefan Angehrn oder Andreas Anderegg. All diese ehemaligen Boxer haben etwas gemeinsam. Sie sind oder waren Schweizer und kämpften in in- und ausländischen Ringen als Profiboxer. Doch keiner der erwähnten Faustkämpfer schaffte es je, in die Ruhmeshalle des Boxens, die International Boxing Hall Of Fame (IBHOF) aufgenommen zu werden.

Diese Ehre wird im Juni in Canastota (NY) posthum dem 1875 in Döttingen geborenen und mit seinen Eltern nach Amerika ausgewanderten erfolgreichsten Schweizer Boxer aller Zeiten, Frank Erne, zuteil. Erne wurde von der „Boxing Writers Association“ und einem Panel aus Boxhistorikern zur Wahl in die Kategorie „Old Timer“ empfohlen. Die Aufnahme in die IBHOF kommt dem Besteigen des Olymp gleich. Es gibt keine grössere Ehre für einen Boxer als in den erlauchten Kreis der Mitglieder der IBHOF aufgenommen zu werden.

Folgende Persönlichkeiten werden im Juni anlässlich einer Zeremonie in Canestota (US-Bundesstaat New York) geehrt bzw. in die IBHOF aufgenommen.

Kategorie „Modern“: Bernard Hopkins, Juan Manuel Marquez und „Sugar“ Shane Mosley
Kategorie „Women’s Modern“: “The Coal Miner’s Daughter” Christy Marty und Lucia Rijker
Kategorie „Old Timer“: Frank Erne
Kategorie „Peoneer“: Paddy Ryan
Kategorie „Non Participant“: Lou DiBella, Kathy Duva und Dan Goossen
Kategorie „Observers“: Thomas Hauser und Bernard Fernandez.

Aber wer war dieser hierzulande nur wenigen Box-Aficionados bekannte Frank Erne? Seine faszinierende Geschichte erzählt der wohl beste Frank Erne-Kenner und frühere Boxpromoter Daniel Hartmann.

Frank Erne – Superstar

Frank Erne hatte eine kurze, aber brillante Karriere als Leichtgewichtsweltmeister in der er demonstrierte, dass es möglich war, Boxer und Gentleman zu sein. Erne war der bescheidenste und gebildetste Champion des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Immer charmant, höflich, gutaussehend und elegant gekleidet. Er sah vielmehr wie ein schneidiger Wall-Street Banker aus, als ein Schläge austeilender Prizefighter. Frank hatte viele Neider und einige nannten ihn wegen seines gepflegten und vornehmen Auftretens Salonboxer oder gar Gänseblümchen. Trotzdem war er der Held einiger der blutigsten und wildesten Kämpfe der Leichtgewichtsklasse, die es je gegeben hat.

Im goldenen Zeitalter des Boxens, in dem Frank Erne reüssierte, waren alle Weltmeister im Faustkampf Helden und wurden mehr bewundert als die späteren Filmstars. Sie verdienten mit Kämpfen Geld wie Heu und nahmen oftmals mit Showtouren und Theaterauftritten mehr ein, als bei den eigentlichen Wettkämpfen.

Unser künftiger Weltmeister Frank wurde als Erwin Erne am 8. Januar 1875 - vermutlich in Döttingen - geboren. Franks Vater Engelbert, ein Bierbrauer aus Leuggern und seine Mutter Anna Knecht aus dem Nachbardorf Döttingen im Kanton Aargau, heirateten im Herbst 1874 als sie schwanger wurde.

Die industrielle Revolution machte auch vor dem Aargau nicht halt, führte zu Arbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Not. Viele Leute wanderten deshalb nach Übersee aus.  So zog es auch die Ernes nach den Vereinigten Staaten von Amerika und sie liefen im Frühling 1882 auf einem Überseedampfer im Hafen New Yorks ein.

In Buffalo, Erie County im Staat New York, liessen sie sich die Ernes nieder und Franks Vater fand eine Stelle als Brauer in einer der vielen Brauereien der stark wachsenden Stadt, die damals geschätzte 200'000 Einwohner zählte.
Im rauhen Umfeld dieser Brauereien und Kneipen, musste der Junge lernen, sich durch- und auseinanderzusetzen, den praktisch alle Jungs boxten zu dieser Zeit - vielfach auf der Strasse. Und dass der kleine Erwin aufgrund seines Schweizer Dialekts nicht nur von den deutschen Einwanderern gehänselt und „drangenommen“ wurde, ist gut nachvollziehbar.

Im Frühling 1890, als Fünfzehnjähriger, verschaffte er sich einen Job als Kegelsteller in einer Kegelbahn im Buffalo Athletic Club. Gleich nebenan befand sich ein Faustkämpfer Club. Frank vereinbarte mit dem Besitzer des Clubs kleine Dinge für ihn zu erledigen, dafür sollte er Boxunterricht erhalten. Seine erste Boxstunde bekam er vom bekannten Leichtgewichtsboxer und Boxlehrer James „Jimmy“ Connors. Und innert kürzester Zeit verschaffte er sich bei den Jugen in der Stadt Respekt und Reputation. In diesen Jugendjahren, legte er sich auch den neuen Vornamen Frank zu, da ihm „Erwin“ nie gefallen hatte.

Der junge Erne verfügte über ausserordentliches Talent und lernte das Boxen sehr rasch. Er repräsentierte zusammen mit Jim Corbett und „Kid“ McCoy die neue Schule des Boxens. „Boxen wurde von uns damals als richtige Kunst verstanden“ sagte er später in einem Interview. Er verstand es als eine Art Wissenschaft und studierte die Art und die Stile des Boxens, seine Gegner und sich selbst. Er plante seine Ringschlachten und seine Kampfstrategien. Selbst während eines Kampfes versuchte er vier, fünf „Moves“ im Voraus festzulegen um so seinen Gegnern seine Taktik aufzuzwingen. Boxer, die dies konnten, nannte man damals Ringgenerale. Erne war so einer.

Er kämpfte mit allen Amateur Cracks von Rochester und Buffalo und avancierte am 29. September und 27. Oktober 1892 zum Amateur A.B.A.C Champion of Western New York, indem er den Federgewichtschampion von Rochester, John Roy durch TKO und KO zwei Mal vernichtend schlug.
Nach zwei Jahren Ungeschlagenheit, brach sich Frank zu Beginn des Jahres1893 in der dritten Runde -des wahrscheinlich ersten Profikampfs - gegen Joe Diebold ein Handgelenk. Der Kampf der über volle 23 Runden ging, endete untentschieden. Welch Kämpferherz. Erne nutzte die Heilungszeit und trainierte bis in den Winter mit Jim Daly, dem Trainer und ehemaligen Sparringspartner von Jim Corbett. In dieser Zeit machte er entscheidende weitere Fortschritte, die zu einer ersten Bestätigung als Profiboxer am 7. Januar 1894 führten. Frank machte sich selbst ein Geburtstagsgeschenk und knockte John L. Sullivan - der die Western Championship von Erne nicht anerkannte und sich ein Jahr lang über Erne sein Mund zeriss – in der zweiten Runde aus.
Dieser Kampf verursachte die bis dahin grösste Aufregung um einen Boxkampf in Buffalo seit Menschengedenken und wurde schon im Vorfeld von den Medien heiss diskutiert. Für sie war Sullivan, ein steif schlagender Puncher, der klare Favorit.

Nach diesem spektakulären Sieg, liefen die Dinge für den Buffalo Boy wie geschmiert weiter. Im März, April und Mai kämpfte er sieben weitere Male und schlug jeden Gegner in überlegener Manier. Sogar der bekannte George Siddons, der zwei Mal gegen den künftigen Leichtgewichtsweltmeister Georges „Kid“ Lavigne unentschieden geboxt hatte, wurde klar ausgepunktet. Und der glückliche Erne verfügte über Nacht über jede Menge Geld.

Im Herbst 1894 boxte er gegen den stark foulenden Solly Smith aus San Francisco ein Unentschieden über zehn Runden. Unverständlich, dass sich der Federgewichtsweltmeister des Jahres 1891 in diesem Kampf so unfair verhielt.

Im Folgejahr reiste Erne mit seinem Manager Franklin nach England. Der amtierende englische Meister wollte nicht gegen Erne kämpfen. In einem Ersatzkampf schlug der Mann aus Buffalo USA den Engländer Jem Perry überlegen nach Punkten.

Zurück in New York knockte er im selben Jahr zwei Mal Jack Skelly aus und boxte ein Unentschieden gegen „little chocolate“ George Dixon, den amtierenden Weltmeister im Federgewicht. Ebenso gegen Young Griffo, einen ehemaligen Weltmeister und australischen Meister im Federgewicht. Griffo war schwierig zu boxen, denn er war einer der besten Defensivfighter der Boxgeschichte.

1896 wurden 2’000 Zuschauer Zeugen wie Frank Erne in einem knappen und aufreibenden Kampf - dank eines starken Finishes - George Dixon nach Punkten schlug und Weltmeister im Federgewicht wurde. Diesen Titel konnte er allerdings nur knapp drei Monate halten. 1897 im 20 Rundenkampf um die Verteidigung desselben, kam Erne ab der vierten Runde gegen Martin Flathery in enorme Schwierigkeiten. Ein Cut hatte sich über seinem Linken Auge geöffnet und blutete während des ganzen Kampfes stark. Mit dieser Behinderung hatte Frank keine Chance, den Kampf zu seinen Gunsten zu entscheiden.

Im April des darauf folgenden Jahres brach sich Frankie in der 14. Runde im Kampf gegen Harry Lemons die linke Hand. Er schaffte es dennoch den Schwarzen drei Mal zu Boden zu schicken. Nur die Glocke konnte Lemons vor dem Knockout retten und Erne gewann nach Punkten.
Im Herbst kämpfte er das erste Mal um die Krone der Leichtgewichtsklasse und der amtierende George „Kid“ Lavigne konnte mit viel Glück und einem geschmeichelten Unentschieden die Krone behalten. Viele Zuschauer waren damals jedoch der Meinung, Erne sei an diesem Tag der Bessere gewesen.

Einen starker Auftakt gelang Frank im Frühjahr 1899, als er den Fighter Dal Hawkins in San Francisco ausboxte und durch K.O. in der 7 Runde gewann. Dass Dal ein starker Mann war, erfuhr auch der Philadelphia Boxer Joe Gans, als er im Oktober 1896, also drei Jahre vorher, gegen diesen verlor.
Kurz nach dem Hawkins Kampf gewann Mister Buffalo auch den 25 Rundenkampf gegen George „Elbows“ McFaden. Dies trotz eines Cuts über einem Auge. Dieser Kampf war einer der cleversten, den man bis anhin in New York gesehen hatte. Frank Erne liess „Ellbow“ des öfteren unbeholfen und amateurhaft aussehen. Und dies obwohl McFadden einen Monat zuvor Joe Gans durch K.O. in der 23. Runde bezwungen hatte.

Dann kam der 3. Juli 1899. Für Frank Erne die Chance seines Lebens. Und er nutzte sie. In einem entschieden geführten zweiten Kampf gegen Kid Lavigne demonstrierte er vor über 7'000 Zuschauern in Buffalo seine Überlegenheit und räumte alle erdenklichen Zweifel hinsichtlich seines Anspruch auf den Weltmeistertitel aus.

Mit grosser Agressivität bearbeitete er Kid zwanzig Runden lang. Seine berühmte Linke bahnte ihm dabei wie ein Hammerwerk seinen Weg. Erne dominierte Lavigne nach Belieben, was diesen irritierte und ihn zu Aktionen verleitete, die ihn an den Rand einer K.O. Niederlage brachten. Franks Sieg war 6'000 Dollar wert. Auf heute umgerechnet ungefähr 170'000 Dollar.  

Nach fünf Monaten Pause verteidigte Erne seinen Titel ein erstes Mal gegen den „Flaherty-Bezwinger“ Jack O’Brien aus New York. Der brutalen Gewalt Jacks standen die boxerischen Fähigkeiten des Buffalo Boys gegenüber. Frank gelang es nicht, sich durchzusetzen und es kam zu einem Unentschieden.

Die grosse Bewährungsprobe Franks kam mit der zweiten Titelverteidigung gegen Joe Gans, am 23. März 1900 in New York im Brodway Athletic Club auf ihn zu. Er und Gans waren zu diesem Zeitpunkt die besten Leichtgewichtler der Welt. Erne war in diesem Kamf besonders nervös und er forcierte den Kampf von Beginn weg. Gegen die zehnte Runde hin verlor „the Old Master“ Gans an Speed und Frank erhöhte den Druck. Viele waren bis zu diesem Zeitpunkt der Meinung, Gans müsse leicht vorne liegen. Die zwölfte Runde eröffnete Frank mit einem linken und rechten „Smash“ auf Joes Augen. Unmittelbar danach schmetterte er ihm eine fürchterliche Rechte in die Magengrube. Gans krümmte sich zusammen und bevor er sich aufrichten konnte, landete Frank eine schreckliche Rechte über Joe’s linkem Auge. Ein grässlicher Cut platze auf. Gans klammerte und als der Ringrichter „Charley“ White die Beiden trennte, torkelte Gans in Richtung Ernes Ringecke und sagte: „Ich bin blind. Ich kann nichts mehr sehen. White stoppte den Kampf und erklärte Frank Erne zum Sieger. Der Manager Joe’s reklamierte verzögert Kopfkollision. Nach dem Kampf und später, tat dies auch Gans.

Die Leute die am Ring sassen, waren da anderer Meinung. Die Profiboxer McPharland, Sullivan, Sharkey und John L. Sullivan gratulierten Erne herzlich zum Sieg. „A game boy that“ meinte der ehemalige Leichtgewichtsweltmeister McAuliffe hinsichtlich Erne, als er sich in die Reihe der Gratulanten stellte. Der Profi Matty Matthews brachte es auf den Punkt: „Erne put up a grand battle, giving an exemplification of the boxing game in all branches, the equal of any ever witnessed. Buffalo ought to feel more than proud of her gentlemanly light weight champion of the world“. Und Boxer Dan Creedon, der den Kampf auch sah, meinte zum Vorwurf der Kopfkollision sinngemäss: Ernes Rechte hat Gans in die Pfanne gehauen. Joe sagt es sei ein Kopfstoss, aber ich schätze er sah zuviel Sterne um die dreizehnte Runde anzugehen.

Hunderte von Gratulanten und Fans empfingen den Buffalo Boy bei seiner Heimkehr an der Bahnstation. Frank Erne, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, war jedoch weit über Buffalo hinaus im ganzen Land berühmt und populär. Er genoss es, als einer der komplettesten Boxer wahrgenommen zu werden, die es je gab. Cleverness in Technik und Taktik verband er mit Schlagstärke und Nehmerqualitäten. Schnell auf den Füssen und ausgestattet mit hervorragenden Reflexen, tanzte er durch den Ring wie eine Baletttänzerin. Und ein „Snappy Left Hand Jab“ war seine stärkste Waffe mit der er die Gegner zu kontrollieren wusste und seine Angriffe vorbereitete. Frank Ernes Kampfrekord war so lang wie beneidenswert und die Erringung der Weltmeisterschaft im Leichtgewicht vollbrachte er durch eine Aneinanderreihung von brillanten Leistungen im Ring.

Aber Frank wurde übermütig und überschätzte sich, als er die Gewichtsklasse wechselte und sich ins Federgewicht hungerte. Sein Ziel war es, gegen den amtierenden Weltmeister Terry McGovern – den Mike Tyson dieser Gewichtsklasse – anzutreten und ihn auszuknocken. Am 16. Juli 1900 kam es, wie es musste und Erne bezog gegen „Terrible“ Terry eine Tracht Prügel. McGovern kam wie ein Hurrikan über ihn und der Buffalo Boy musste sich in der dritten Runde nach zwei Niederschlägen geschlagen geben. Seine Sekundaten warfen ihren Schwamm in die Ringmitte und bewahrten Frank dadurch vor einer K.O. Niederlage. Dieses Mal hatte ihm seine Cleverness nichts geholfen. Frank war ganz einfach körperlich zu schwach. Seine Kraft hätte höchstens ausgereicht „um in einem Rollstuhl im Ring rumzukurven“ - wie es eine Tageszeitung plakativ ausdrückte.

„Das Gewicht hat mich geschlagen“, meinte Erne und weiter „mit 133 Pfund bin ich in tadelloser Form, aber mit tieferem Gewicht bin ich chancenlos“. In der Folge hatte sich Frank ganz offensichtlich nie mehr so richtig von diesem Fight erholt und nie mehr zur alten Form zurückgefunden. So ein Kampf „breaks the heart and destroys confidence“, wie es ein Reporter treffend formulierte. Erne wollte die Konsequenzen daraus ziehen: „Ich werde nie mehr meine Gewichtsklasse verlassen“.

Sprachs und kämpfte ein Jahr später –obwohl zwischenzeitlich zurückgetreten – in einem Weltergewichtskampf. Es war ein Kampf um die Weltmeisterschaft gegen den amtierenden Titelhalter James „Rube“ Ferns. Es war das zweite Mal, dass Erne den schlimmen Fehler machte, ausserhalb seiner Gewichtsklasse zu kämpfen. Geld und Ruhm lockten wohl wiederum so sehr. Ferns erteilte ihm die zweite Lektion: Frankie wurde in der neunten Runde ausgezählt.

Doch nicht nur die Klassenwechsel, dauernde Gewichtsänderungen und Niederschläge dürften Einfluss auf den Verlauf von Ernes Boxkarriere gehabt haben. So kämpfte er deutlich weniger häufig als beispielsweise sein „Erzfeind“ Joe Gans. Und trainierte deshalb wohl auch weniger. Frank war öfters zwischen seinen Kämpfen lange auf Vergnügungsreisen. Innerhalb der USA, aber auch weltweit. Er ass fürs Leben gern und schätzte auch Wein ausserordentlich. Er liebte die schönen Dinge des Lebens. Wohl zu sehr. Auch waren seine Frau und seine Eltern von Anfang an gegen seinen Beruf als Preiskämpfer. Auch das war einer konstanten, langjährigen Karriere wohl nicht förderlich.

Die zwei weiteren Kämpfe nach Ferns gewann Frank überlegen. Und er war immer noch Weltmeister im Leichtgewicht, als er an einem Schicksalstag, am 12. Mai 1902 in Fort Erie in Kanada - den versprochenen Rückkampf - gegen Joe Gans antrat. Beide Kämpfer waren in hervorragender Verfassung, als sie sich für den 20 Rundenkampf in den Ring begaben. Alle weit über 6'000 Zuschauer gingen von einem spannenden und längeren Gefecht aus. Der Kampf dauerte jedoch nur 1 Minute 40 Sekunden, denn Joe Gans schlug Frank Erne unerwartet mit einem rechten Haken zu Boden. Der K.O. Schlag kam so plötzlich und schnell, dass sogar Gans und der Ringrichter eine Minute bewegungslos auf den am bodenliegenden, schwer angeschlagenen Erne starrten. Dieser versuchte vergeblich wieder auf die Beine zu kommen. Als sie ihn mit stark blutender Nase in die Ecke führten, brauchte es über eine Minute „to bring him back from the Dreamland“.

Der Blitzschlag-Sieg verursachte Entsetzen und Bestürzung bei über tausend Erne Fans, die am Ring sassen. Ihre Herzen schienen stehenzubleiben. Die meisten von ihnen wie vor den Kopf geschlagen. Ihr geliebter und verehrter Champ war besiegt worden, bevor er zu kämpfen begann. Dazu kam, dass sie tausende Dollar beim Wetten auf Frank verloren hatten.

Erne war sehr bestürzt über den verschenkten Kampf und meinte verunsichert: „Ich war kaum aufgewärmt;  machte ein, zwei Finten und, Bang! - das war alles - Gans schlug mich mit dem ersten Punch K.O.“.

Terry McGovern, der für gutes Geld Joe Gans in diesem Kampf unterstützte, meinte danach: „Es war ein Lucky Punch, ganz klar... und ich dachte es würde ein langer harter Kampf. Das Ende kam so plötzlich und schnell, ich war noch nicht mal abgesessen“. Sam Harris, McGoverns Manager: „Gans hat gewonnen, ganz klar - aber mit einem Lucky Punch, den er in 1’000 Jahren nicht noch einmal so rüberbringen könnte“. Das abschliessende Urteil der Experten vor Ort war unisono: der Kampf war zu kurz um beurteilen zu können, welcher Boxer an diesem Tag der wirklich bessere war. Den versprochenen Rückkampf jedenfalls, bekam Erne nie mehr.

Frank gewann dannach noch einen Kampf gegen Jim Maloney in London England, bevor er im November durch K.O. in der 7. Runde gegen den künftigen Leichtgewichtsweltmeister Jimmy Britt verlor. Erne im Gesicht von Schlägen gezeichnet, weinte nach dem Kampf in seiner Garderobe. Wohlwissend, dass sich seine Karriere nun dem Ende näherte. Einmal mehr gab er seinen Rücktritt bekannt.

1907 reiste Frank Erne nach Paris und war in der Folge federführend und massgeblich an der Schaffung des Erfolgs des Boxsports in Frankreich beteiligt. Denn Frank unternahm mehr als jeder Andere um die Noble Art in Frankreich zu promoten und gross zu machen. Er führte eine Boxschule und lehrte und trainierte unter anderen Georges Carpentier, den künftigen Europa- und Weltmeister; Charles Ledoux, Europa- und Weltmeister und Louis De Ponthieu, Europameister. Es versteht sich von selbst, dass Frank darüber hinaus ein bedeutender Boxpromoter in Frankreich wurde. Hier kämpfte er 1908 auch seinen letzten Kampf. Es ging um die französische Meisterschaft im Weltergewicht gegen den Enländer Curley Watson. Ganz verdient gewonnen hat er diesen Kampf wohl nicht.

Ernes Einfluss auf das Boxen in der Schweiz ist nicht zu unterschätzen. Denn seine ehemaligen und bestehenden Schüler Georges Carpentier, Marcel Moreau und Louis De Ponthieu – den er zu dieser Zeit auch managte - boxten ab dem 27. Juli 1911 auch in in der Schweiz, in Genf im Lunapark. Erne als Manger, war vermutlich dabei. Ein solcher Grossanlass mit den führenden französischen Weltklasse Boxern, dürfte ein starker Impuls für die Entwicklung und das Wachstum des Schweizer Boxsports gewesen sein. 

Als der erste Weltkrieg ausbrach, kehrte Frank für immer nach Amerika zurück und blieb dem Boxgeschäft vermutlich bis in die dreissiger Jahre treu. Im zweiten Weltkrieg unterhielt Frank aus Mitleid viele Patienten in Spitälern für Kriegsversehrte mit seinen Anekdoten und alten Heldengeschichten der goldenen Aera.

Erne sagte einmal, er habe 200'000 Dollar mit seinen Fäusten verdient. Das wären heute in etwa 4,7 Mio. Dollar. Das meiste davon verlor er 1929 durch den Wall Street Crash. Doch Erne rappelte sich auf, fand eine Anstellung und arbeitete später viele Jahre, bis weit über das fünfundsechzigste Altersjahr hinaus, für eine New Yorker Ölfirma als Verkausmitarbeiter.

1951 war Frank der älteste noch lebende Ex-Weltmeister und wurde von der Boxing Writer’s Association mit einem Award für sein Lebenswerk geehrt.

Frank Erne – Boxer und Gentlemen – starb am frühen Samstag Morgen des 18. September 1954, an den Folgen eines Herzinfarktes im Beth David Spital in Manhattan. 

"Erne was about the best man I ever met, and in addition he was a gentleman as well as a clever fighter“. Joe Gans, 12. Dezember 1907, Auburn Citizen Newspaper

 

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