Die zweite Boxgala in Baden hat jede Menge Glamour und auch einige boxerische Höhepunkte geboten. Am Ende kam es in der restlos ausverkauften Badener Trafohalle zwar zum dramaturgisch perfekt inszenierten Finale. Leider aber ohne den von den allermeisten ersehnten Ausgang: Stefan Rumpold agierte vor der grossen Heimkulisse seltsam gehemmt. Der Schwergewichtler liess sich vom an sich limitierten Deutschkroaten Robert Grgurić einschüchtern und musste in der fünften Runde nach schweren Treffern aus dem Kampf genommen werden.
Das Organisationskomitee um Werner Eglin, Martin Thalmann, Reto Schaffner, Patrick Müller und Gregor Stadelmann hat einen Event (Nachmittags- und Abendblock) aufgezogen, dem in der Schweiz punkto Attraktivität und Professionalität noch Leander Strupler mit seinen innovativen Konzeptanlässen auf dem Platz Bern Paroli bieten kann. Zum Badener Programm gehörten etwa geschmackvolle Tanzeinlagen zu klassischen Ohrwürmern von der E-Violine, aber auch die pulsierenden Beats von DJane Tatjana La Croix. Ex-SRF-Sportmoderator Michael Sokoll überbrückte zudem stilsicher die bisweilen etwas langen Pausen zwischen den einzelnen Fights.
Livestream Boxgala Baden
Das Abendprogramm
Schwergewicht:
Stefan Rumpold (CH) vs. Robert Grgurić (D)
Stefan Rumpolds nach der ernüchternden Niederlage im Ringinterview formulierte Analyse war absolut korrekt: Der Klingnauer ist grundsätzlich definitiv der bessere Boxer als der Rechtsausleger aus Deutschland. Woran also lag es, dass er am Ende trotzdem sang- und klanglos unterging - gegen einen zwar beherzt angreifenden, aber weder voll austrainierten noch schwer lesbaren Gegner? War es tatsächlich der Leberhaken in der ersten Runde, der sich, vom Publikum nicht wahrgenommen, als fataler Wirkungstreffer erwies?
Was in der ersten Runde noch wie ein kontrolliertes Abtasten des Gegners wirkte, erwies sich bald als fehlende Spritzigkeit. Vielleicht wirkte auch die riesige einheimische Kulisse nicht zusätzlich motivierend, sondern war eher ein Hemmschuh. Stefan Rumpold, voll berufstätig und vor kurzem Vater geworden, fand jedenfalls zu keinem Zeitpunkt in den Kampf. Beide Boxer brachten kaum präzise Schläge, geschweige denn zwingende Kombinationen ins Ziel. Robert Grgurić kamuflierte seine technischen und konditionellen Unzulänglichkeiten bei Bedarf mit Klammeraktionen. Rumpold aber machte den Fehler, in der an sich kontrollierten Defensive immer mal seine Deckung hängen zu lassen. Und deshalb fanden mit zunehmender Kampfdauer Grgurićs wilde Schwinger immer öfter den Weg zu Rumpolds Kopf.
In der vierten Runde glaubte man, Rumpolds Knoten sei geplatzt: Zwar nahm er zuerst wieder einen schweren Schwinger und gleich anschliessend noch eine Rechte und wurde angezählt. Dann aber ging er voll in den Gegenangriff und beschenkte Grgurić endlich mit einer herzhaften Kombination. Der spuckte zwar zweimal den Zahnschutz aus und kassierte dafür einen Punktabzug, rettete sich aber einigermassen locker in die Rundenpause. In der fünften Runde schlug dann das Pendel endgültig für Grgurić aus. Mit diversen Schwingern - einmal auch besonders wirkungsvoll an Rumpolds Schläfe - rang er den Einheimischen nieder. Ringrichter Marcel Werder gab zwar den Kampf noch einmal frei, aber es war offensichtlich, dass Rumpold schon verteidigungsunfähig war. Es war vernünftig, den Schweizer dann endgültig aus dem Kampf zu nehmen.
Für die Zukunft als Profi im Schwergewicht ist Rumpold sehr zu wünschen, dass die Pläne von Event-Coorganisator Martin Thalmann Wirklichkeit werden: Rumpold müsste seine berufliche Tätigkeit erheblich reduzieren. Dies liegt allerdings nur drin, wenn Geldgeber bereit sind, in die boxerische Karriere des Klingnauers zu investieren und ihn längerfristig mit zu finanzieren.
Seun Salami (AUT) – Jan Torok (CZ)
Der von Matchmaker Gregor Stadelmann aufgrund einer kurzfristigen Absage als Gegner für den starken Seun Salami aufgebotene Tscheche Jan Torok machte einen indisponierten Eindruck. Ringrichter Marcel Werder musste ihn schon nach dem ersten Niederschlag anzählen. Und danach flog auch gleich das Handtuch als Zeichen der Aufgabe. Der übergewichtige Tscheche war sichtlich erleichtert, dass er keine weiteren Schläge seitens Salami einstecken musste.
Halbschwergewicht
Mobin Khahrazeh (AUT) vs. Jiří Kroupa (CZ)
Nach dem beängstigend schwachen Gastspiel seines Landsmanns im Kampf davor fürchtete man auch um die Gesundheit Kroupas. Der aber wehrte sich in einem Kampf gegen den starken Iraner aus Wien (Nr. 113 der Welt) tapfer und schaffte es über die Runden. Das lag allerdings auch daran, dass sich der explosive Mobin Khahrazeh schon in der zweiten Runde die rechte Hand brach. Der hielt ebenfalls bis ans Ende durch, musste sich aber fortan mit der Auslage begnügen, was ihn für Kroupa schnell einmal berechenbar machte. Beiden Boxern gebührt aber ein grosses Lob dafür, dass sie erst nach vollendetem Tagwerk ausstempelten. Beide konnten nicht mehr – Kroupa ist ein ehrlicher, wenn auch technisch limitierter Arbeiter. Von Kahrahzeh hingegen dürfte man noch hören. Hat er beide Hände zur vollen Verfügung, kann er dank seiner guten Fussarbeit und überraschender Angriffsgestaltung auch Leuten gefährlich werden, die im Ranking weit über ihm klassiert sind
Rico Giger (CH) – Laszlo Sarandini (H)
Rico «Ramba» Giger hätte einen längeren Auftritt verdient gehabt – und mit ihm das Publikum. Boxerisch blieb nämlich keine Zeit, um das Potenzial des Frauenfelders genauer zu studieren. Der drückte bei seinem originellen Walk-in zur allgemeinen Erheiterung die Knöpfe seines Schwyzerörgelis, sekundiert von einem nicht minder flamboyanten Manager: Der frisch gebackene Promi Big Brother Rainer "The Brain" Gottwald und DAZN-Deutschland-Partner kann also auch Akkordeon.
Das Publikum durfte sich an der musikalischen Einlage länger ergötzen als am anschliessenden Kampf: Giger streckte seinen bemitleidenswerten ungarischen Kontrahenten nach wenigen Sekunden in der ersten Runde mit einem gnadenlosen Leberhaken nieder. Der brauchte Minuten, um sich wieder einigermassen zu berappeln und den Ring aufrecht zu verlassen.
Fazit: (Diesmal) wenig Boxen, aber zwei spannende Typen mit kultigem Auftritt – höchst erfrischend! Eine Marke im Boxbusiness, die durchaus Zukunftspotenzial hat.
Benjamin Popaj (CH) vs. Mikheil Khutsishvili (GEO)
Benjamin Popaj war als Amateur jederzeit in der Lage, einen Kampf mit einem gewaltigen Punch zu beenden. Nach neun Jahren Pause ist er nun ins Ringgeviert zurückgekehrt. Benjamin Popajs Comeback-Bilanz ist nach der langen Ringabwesenheit ebenso zwiespältig wie die Wertung (2:1). Der bullige Mihheil Khutsishvili (80 Fights als Profi) machte Popaj das Leben schwerer als erhofft. Als ausgebuffter Journeyman ist es der Georgier gewohnt, einzustecken und doch unablässig nach vorne zu marschieren. Weil er sich dabei auch immer wieder auch mit routinierten Pendelbewegungen an Popaj heranarbeitete, schaffte es dieser viel zu selten, seine Reichweitenvorteile und Schlagkraft in einen klaren Sieg und vielleicht sogar vorzeitiges Ende umzumünzen. Popaj dominierte die erste Runde und zeigte auch ein ansprechendes Schlussfeuerwerk. Damit entschied er den Kampf letztlich verdient zu seinen Gunsten. Dennoch stellt sich die Frage, ob Popaj nicht viel mehr Körner hätte, wenn er für das gewählte Limit nicht dermassen abkochen müsste.
Mittelgewicht
Dominik Ameri (D) vs. Noureddine al-Goumi (F)
Der technisch beste Fight im Abendprogramm. Während der etwas kleinere Franzose aus der Halbdistanz vor allem mit aufwärts gedrehten Haken zu Kopf oder Körper gefährlich wurde, ging der Hamburger Dominik Ameri immer einen Schritt zurück und boxte grundsätzlich aus der Distanz. Insgesamt wirkten Noureddine al-Goumis Angriffsaktionen zwingender. Er nahm dabei allerdings in Kauf, dass er immer wieder kopfvoran in den Gegner hineinlief. Nach mehrfacher Ermahnung kassierte er zu Recht einen Punktabzug durch Ringrichter Fabian Guggenheim. Am Ende lag Ameri in der Wertung 2:1 vorne, was insgesamt absolut vertretbar war. Der Punktabzug beeinflusste den Kampfausgang letztlich nicht, werteten doch zwei Kampfrichter den Kampf je 58:55 zu Gunsten von Ameri. Dennoch: ein harter, technisch guter Fight zwischen zwei ziemlich ebenbürtigen Boxern.
Das Nachmittagsprogramm
Mit dem Neuenburger Samuel Girardier wächst ein sehr guter Nachwuchsprofi heran. Er übernahm gegen seinen ungarischen Gegner Roland Juhasz sofort das Szepter und beendete den Kampf vorzeitig in der 2. Runde. Juhasz war limitiert, aber Girardier entfaltet im Ring überzeugend seine Dominanz.
Devin Strübin wartete gegen Martin Krteski (Nordmakedonien) eine Runde lang ab, bevor er diesen in der 2. Runde mit einem Treffer aufs Auge ausser Gefecht setzte. Ringrichter Werder brach den Kampf ab, nachdem sich Krteski weggedreht hatte. Der Nordmakedone gab allerdings nicht grundlos auf: unter seinem Auge klaffte ein Cut.
Das Vorprogramm rundeten teils hochstehende Amateurkämpfe ab, insbesondere zwischen Francisco das Neves (BC Sissach) und Davide Meta (FM Academy). Ebenso attraktiv traten Gent Makaj (Classic Boxing) und Rivaldo Mendes (BF Lausanne) auf. Makaj kam gegen Ende immer mehr auf und entscheidet den Kampf letztlich knapp zu seinen Gunsten.
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Instagram Jeannette Imhoff
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