Schweiz siegt im „Nationencup light“

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25.09.2023 08:25 Uhr
Gérald Kurth / JS

Geplant war ein ausgewachsener Vierländerkampf mit insgesamt 24 Kämpfen. Das ursprüngliche Programm wurde aber aufgrund der Absenzen der italienischen (Terminkollision) sowie der österreichischen (gewisse Limits konnten nicht besetzt werden) Staffel zu einer rein schweizerisch-deutschen Angelegenheit. Wer aufgrund des ausgedünnten Programms das Schlimmste befürchtet hatte, behielt zum Glück auf der ganzen Linie Unrecht. Was das viel zu kleine Publikum (am Samstag 250, am Sonntag noch um die 100 Zuschauerinnen und Zuschauer) nämlich zu sehen bekamen, war absolute Spitzenklasse. Die Schweiz behielt an diesem Nationencup am Ende knapp die Oberhand.

Die BBC-Arena bietet ausgezeichnete Bedingungen, wo die Boxer frühzeitig anreisen, übernachten und am gleichen Ort die Handschuhe schnüren können. Die Schweizer Boxerinnen und Boxer bekommen in einem solchen Rahmen auch die Möglichkeit, an zwei aufeinander folgenden Tagen gegen ausgezeichnete internationale Konkurrenz in den Ring steigen zu können, auch wenn diese letztlich umständehalber „nur“ noch aus Deutschland stammte. Dass überhaupt eine Staffel des Swiss Boxing Teams antreten konnte, ist in erster Linie Engjell Toma vom Regionalen Leistungszentrum Ost zu verdanken, der im Vorfeld für den abwesenden Nationaltrainer Federico Beresini und die rekonvaleszente Christina Nigg (Chefin Leistungssport) eingesprungen war.

Der BC Schaffhausen hat unter Präsident Paul Fischbacher und seinem Team einen hervorragenden Event auf die Beine gestellt. Hervorzuheben gilt es hier ganz besonders René Schäppi, der seit 50 Jahren Trainer im BCS ist und mit 83 Jahren beweist, das der Faustkampf alle Qualitäten eines Jungbrunnens besitzt! Gemeinsam mit René Schäppi wurde auch Andreas Anderegg, der nach 17 Jahren an der Spitze von Swissboxing seine Funktion kürzlich niedergelegt hatte, im Ring geehrt und mit Applaus verabschiedet.

Das Kampfprogramm am Sonntag:

Youth (3 x 3):

Elian Demiraj (Boxclub Biel/Bienne, 61.8 kg, CH) – Dakhil Jahil (62.5 kg, D)

Was für ein Jugendkampf! Elian Demiraj ist ein Versprechen für die Zukunft. Gegen einen keineswegs inferioren Kontrahenten – Jahil ist immerhin deutscher Vizemeister im Limit – setzte der junge Bieler über den ganzen Kampf die richtigen Akzente und punktete dabei konsequent. Motorisch und technisch hochbegabt, verrichtete er auch permanente Fussarbeit und schlug immer wieder präzise einzelne Hände. Kombinationen konnte er hingegen nur vergleichsweise selten abschliessen. Das lag aber auch daran, dass Jahil ab Runde mit zunehmender Kampdauer immer öfter klammerte oder sich gar auf auf Demiraj legte. Zu Recht wurde er deswegen auch mehrfach von Ringrichter Gavrila ermahnt. Der topfite Demiraj liess sich davon nicht beirren und punktete sich konsequent zum eindeutigen und verdienten Sieg.  Die Schweizer Boxfans dürfen gespannt sein, wie sich der Bieler boxerisch weiterentwickelt.

Elite (3 x 3):

Luca Eckwoaba (Fight Right Biel/Bienne, 79.1 kg, CH) – Vitali Walter (79.8 kg, D)

Eckwoaba bekam einen ausgezeichneten deutschen Gegner vorgesetzt, gegen den er letztlich verdientermassen unterlag. Obwohl sich beide Boxer fürs Limit ausgezeichnet bewegten und fast genau gleich schwer waren, entwickelten sie ihren Kampf sehr unterschiedlich: Während der etwas kleiner Eckwoaba immer wieder versuchte, die Distanz zu überwinden und in den Infight zu kommen, schlug Walter routiniert seine langen und präzisen Kombinationen. Der Deutsche war auch gut zu Fuss: Gelang es Eckwoaba ausnahmsweise, die Distanz zu überwinden, drehte sich Walter immer wieder gut heraus und schlug blitzschnelle wirkungsvolle Konter. Eckwoaba war zwar optisch zumeist in der Vorwärtsbewegung, die Punkte aber sammelte der mit Übersicht und entschlossen agierende Walter. Er verdiente sich damit das einstimmige Kampfrichterurteil in einem jederzeit fairen Kampf voll und ganz.

Jimmy Beckert (Olympique Boxing Club Genève, 65 kg, CH) – Koray Öçal (64 kg, D)

Ein absolutes Highlight – die beiden Kämpfer beschnupperten sich vielleicht eine halbe Minute lang, um dann in den kontrollierten Angriff überzugehen. Gegen den  mehrheitlich im Vorwärtsgang operierenden Öçal zeigte der Konterboxer Becker ein beeindruckendes Repertoire: unablässiges Bouncing, präzise, zumeist als Aufwärtshaken geschlagene Konter, eine gelassene Ausstrahlung - bei Becker stimmt eigentlich alles. Wenn man überhaupt Kritik üben will, so könnte man sagen, dass der Genfer fast ausschliesslich zum Kopf schlägt. Das liegt aber auch daran, dass ein Gegner mit fast identischer Kampfanlage kaum Möglichkeiten bietet, zum Körper zu arbeiten. Beckert schlug seine Konter entsprechend über die für Sekundenbruchteile hängende Deckung des Deutschen. Es war kein Zufall, dass genau in diesen Augenblicken Öçals Coach seinen Kämpfer lautstark aufforderte, flüssig zu bleiben und keine Pause einzulegen. Beckert verdiente sich in diesem hochklassigen und jederzeit fairen Kampf das einstimmige Punkterichterurteil. Fazit: Ein Topboxer vom Lac Léman, auf dessen zukünftige Auftritte wir uns freuen dürfen – Gratulation an Jimmy Beckert!

Seifeddine Letaief (Box Club Winterthur) – Oliksander Platonov (59.9 kg, D)

Ein sehr enger Kampf, den die Punktrichter aber letztlich zu Recht mit 2:1 zu Gunsten des Gastes aus Deutschland werteten. Der Niederlage zum Trotz bot der Kampf wertvolle Erkenntnissen für den seit geraumer Zeit in der Schweiz dominant auftretenden Letaief. Platonov war ein mehr als ebenbürtiger Konkurrent, der Letaief auf den Prüfstand stellen konnte: Der Deutsche nutzte seine Reichweitenvorteile konsequent aus. Er schlug druckvoll aus der Distanz, und das zumeist in konsequent abgeschlossenen Kombinationen. Auch wenn er zumeist etwas stereotyp oben durch die Mitte schlug; Platonov arbeitete technisch sauber und effizient. Letaief bewegte sich zwar gut, aber er nahm auch in den Ausweichbewegungen insgesamt zu viele Schläge. Obwohl er Platonov in der letzten Runde noch in einen offenen Schlagabtausch zwang, brachte er zu selten den nötigen Druck in seinen Schläge. Am Ende eines schnellen Fights hatte er den etwas dünneren Punktezettel als Platonov. Auch bei diesem Kampf verlief jederzeit fair und machte Freude beim Zusehen.  

 

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