Peña und Mouafo holen nach spektakulären Fights WBO-Titel
15.09.2024 19:08 Uhr
Gérald Kurth / JS
Fotos: Thilo Larsson, Swiss Pro Boxing
Angelo "The One" Peña gab in der letzten und zehnten Runde vor seinen begeisterten Fans in der MobiliarArena in Bern-Gümligen noch einmal Vollgas, obwohl sein klarer Punktesieg auf den Zetteln längst feststand. Im Ringinterview auf das beidseitige Abschlussfeuerwerk angesprochen, meinte er: „So bin ich halt, ich könnte auch zwölf Runden so boxen, why not?“ Peña liess sich anschliessend hochverdient den Intercontinental Super Feather-Gürtel nach Version WBO umhängen.
Zuvor schon hatte der Bieler Chris "The Ruthless" Mouafo in einem ebenfalls hoch attraktiven Fight den Global Light Titel geholt, nachdem er seinen ebenfalls sehr guten Gegner aus den Philippinen punktemässig klar in die Schranken gewiesen hatte.
Profikämpfe
Superfeatherweight (10 x 3)
Angelo Peña (CH/DOM) – Hiroki Hanabusa (JPN)
Der Meilenstein vorweg: Angelo "The One" Peña ist seit Langem für seine überdurchschnittlichen technischen und motorischen Fähigkeiten bekannt. Im Fight gegen den ebenfalls perfekt austrainierten Hikori Hanabusa bewies er aber auch, dass er mental und charakterlich weiter gereift ist. Eine wesentliche Rolle dürfte hierfür die kompromisslose Kampfvorbereitung im Gym der kubanischen Trainerikone Ismael Antonio Salas in Las Vegas gespielt haben. Peña verzichtete auf Mätzchen oder Imitationen des Gegners, Anwandlungen, die ihn in früheren Kämpfen immer mal wieder von der eigentlich festgelegten Marschroute abgebracht haben. Und nicht nur das: Am Ende zollte Peña dem Gegner und seinem Team ausgiebige und ehrliche Anerkennung, bevor er seinen Triumph in einem hochstehenden Fight zu Recht feierte. Aber von Anfang an:
Beide Boxer begannen animiert und schlugen sofort sehr fleissig. Mit einem blitzsauberen Uppercut zum Kinn des Gegners setzte Peña am Ende der zweiten Runde eine erste Duftmarke, Hanabusa überlebte aber dank dem Gong Sekunden danach. Der Berner dominierte den Kampf, setzte mehr und klarere Treffer, der Japaner liess sich aber auch von harten Punches nicht beeindrucken und schlug pausenlos dagegen. Der ausserordentlich intensive Schlagabtausch verlief so flüssig und gleichzeitig fair, dass die eine oder andere Unterbrechnung von Ringrichterin Diana Drews Milani nicht nötig gewesen wäre. Beide Boxer bewiesen im Abnützungskampf der letzten Runden ihre ausserordentliche Fitness, aber auch Nehmerqualitäten. Auch der Lokalmatador Peña steckte die eine oder andere Hand ein, auch weil er ohne unbedingte Notwendigkeit in der letzten Runde nochmals aus allen Rohren feuerte.
Letztendlich müssen Taktik und Naturell eine gelungene Mariage eingehen, und tatsächlich scheint Peña mittlerweile Kontrolldominanz und Vorwärtsdrang ausgezeichnet zu balancieren. Das bestätigt auch Manager Leander Strupler: „Angelo hat viel riskiert, aber alles gewonnen. Jetzt arbeiten wir weiter, bis der WM-Kampf – gerne auch im Ausland! – Tatsache wird.“
Lightweigh (10 x 3)
Christopher Mouafo (CH/CMR) vs. Jonniel Laurente (PHL)
Nicht jeder Philippino ist ein Manny Pacquiao, aber Laurente war nach Bern gereist, um Christopher "The Ruthless" Mouafo das Leben schwer zu machen. In den ersten beiden Runden fand Mouafo noch kein Rezept gegen den wenig druckvoll schlagenden, aber mit gutem Jab und flinker Beinarbeit agierenden Laurente. Ab der dritten Runde stellte aber Moaufo taktisch um und lief den philippinischen Rechtsausleger anders an – mit Erfolg: Mouafo brachte erste knackige Kombinationen ins Ziel. Mit zwei, drei knallharten rechten Geraden entfaltete er ordentlich Wirkung. Als man aber den Eindruck gewann, dass er sich den Gegner nun kunstvoll zurechtlegen würde, blutete Mouafo plötzlich aus der Unterlippe. Der hartnäckige Laurente bekam den Fight wieder soweit unter Kontrolle, dass sich die Kontrahenten weitgehend neutralisierten. Mouafo lag am Ende auf den Punktezetteln klar und verdient vorne, weil er öfter zwingende Aktionen zu Ende boxte. Er machte aber auch den Fehler, dass er sich zunehmend kleiner machte und damit unfreiwillig der Kampfanlage des Philippinos entgegen kam. Ein attraktiver und gleichzeitig fairer Kampf mit einem verdienten Sieger aus Biel.
Middleweight (10 x 3)
Ramadan Hiseni (CH) – Eugeniusz Makarczuk (POL)
„Humble Hungry Hiseni“ gibt Rätsel auf: Im Juni noch drang er nach einem magistralen Unentschieden (MD) in Kanada gegen den russischen Topmann Shamil Khataev unter die Top 100 im umkämpften Mittelgewicht vor. Nun wurde ihm in Bern einmal mehr ein Wühler aus Polen vorgesetzt. Und diese permanent den Infight suchenden, kleineren Gegner liegen Hiseni ganz offensichtlich überhaupt nicht.
Die Wertung auf den Punktezetteln war ebenso eindeutig wie verdient. Nicht einmal das Score 90:100 von Benjamin Jagel war abwegig, während Daniel Reimann und Fabian Bieri den Schweizer mit viel gutem Willen „nur“ mit je 94:96 unterlegen sahen. Hiseni konnte zu keinem Zeitpunkt seine Reichweitenvorteile ausnutzen und fiel am Ende völlig auseinander. Seine Rechte war über den gesamten Kampf faktisch inexistent. Statt dessen machte er sich kleiner und drehte Eugeniusz Makarczuk in der Halbdistanz oft die linke Schulter zu, ein zweckloses Manöver. Dieser nahm die Einladung dankend an und konterte Hiseni mal für Mal mit kurzen Kopfhaken ab. Hiseni wirkte eigentümlich abwesend und bekundete am Ende sogar konditionelle Probleme. Ein Aufbäumen war zu keinem Zeitpunkt spürbar. Hiseni, ein Boxer mit nachweislich überdurchschnittlichem Potenzial, muss nach diesem missratenen Auftritt dringend und schonungslos Ursachenforschung betreiben.
Weitere Profikämpfe:
Die Paarung Simon Vollmer (D) – Tzemal Houseinoglu (GR) ging über die Runden und bot attraktives Boxen, da insbesondere der bullige Grieche permanent nach vorne ging, um Körper und Kopf des Gegners zu bearbeiten. Weil der einen Kopf grössere Vollmer gerade noch die Kurve kriegte und wieder mehr aus der Distanz boxte, ging sein klarer Punktesieg in Ordnung.
Der Kampf zwischen dem Tessiner Georgi Svechev (CH/BUL) – Alexandru Crasnitchii (ROM) im Light Heavyweight (6 x 3) war eine zähflüssige, wenig attraktive Auseinandersetzung. Svechev machte dem äusserst bescheidenen Rumänen bis zum KO in der 3. Runde das Leben mit einigen krachenden Haken und Geraden ziemlich schwer. Auch wenn Svechev weiterhin unbesiegt ist: Als echter Gradmesser konnte der rumänische Gegner nun wirklich nicht dienen.
Elitekämpfe (3 x 3 min)
Anna Jenni blieb gegen Leonie Müller aus Deutschland unter ihren vielfach erwiesenen Möglichkeiten: Trotz gewohnt solider Beinarbeit und beeindruckender Athletik unterlag sie ihrer einen Tick präziser und entschlossener schlagenden Gegnerin. Die Split Decision mit 1:2 zu Müllers Gunsten ging absolut in Ordnung.
Der Fight zwischen Mohamed Nasani (Boxing Kings Bern) und John Théophile Wapou (OB Genève) endete mit einem gerechten Draw. Technisch auf gutem Niveau, aber oft auch geprägt durch einzelne, mit zu viel Kraft geschlagene Einzelhände.
Ohne Peñas und Mouafos ausgezeichnete Entwicklung schmälern zu wollen: Die errungenen Titel (Intercontinental Super Feather bzw. der vakante Global Light )Titel nach Version WBO müssen in aller Nüchternheit eingeordnet werden: Die WBO ist zwar einer der grossen und etablierten vier Boxverbände. Titelkämpfe haben jedoch in den letzten Jahren aus marketingtechnischen Überlegungen zugenommen. Das gilt, bei aller Anerkennung für seine hervorragende Arbeit, auch für Leander Strupler, dem Matchmaker und Manager von Peña und Mouafo. Peña belegt derzeit im weltweiten Ranking Platz 80, Mouafo Platz 166. Der Weg zum WM-Kampf ist für die beiden Publikumsmagneten im Raum Bern also noch lang und beschwerlich.
Promotor Leander Strupler hat mit seinem Team von Swiss Pro Boxing einmal mehr eine gelungene Fightnight orchestriert. Die nur halb gefüllte Mobiliar Arena in Bern-Gümligen belegte aber, dass selbst bei professionellsten Standards unterhalb der Pay-per-view-Schwelle – Strupler braucht ansonsten den Vergleich mit den grossen US-Veranstaltern punkto Organisation und Marketing nicht zu scheuen – ein beträchtliches unternehmerisches Risiko lauert. Selbst bei solider Sockelfinanzierung durch solvente Sponsoren ist der Ticketverkauf noch immer der zentrale Faktor. Ist die Halle nicht ausgelastet, leckt die Kasse des Veranstalters gefährlich schnell. Umso höher ist es Strupler anzurechnen, wenn er solche Talsohlen in einer langfristigen Perspektive einkalkuliert. Der Boxing Day 2024 ist jedenfalls schon geplant.