Schweizermeisterschaften 16./17. November 2024 - Bericht aus Basel

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19.11.2024 10:12 Uhr
Benjamin Jagel / Jack Schmidli

Tradudctions (FR/IT) suivront. 

Fotos: Peter Schultess, Boxclub Basel
 

Nachdem in der Woche zuvor die Ausscheidungskämpfe für die Schweizermeisterschaft in Solothurn ausgetragen wurden, fanden letztes Wochenende vom 16. bis 17. November 2024 in Basel die Halbfinal- und Finalkämpfe der Elite statt. Der Boxclub Basel, unter der Leitung von Angelo Galina, übernahm die Organisation des Turniers anlässlich des 100-Jahr Jubiläums des Clubs und sorgte für einen einwandfreien Ablauf des Turniers. Dank des grossen Einsatzes unzähliger Helfer des heimischen Boxclubs erhielten die Boxer und Boxerinnen eine erstklassige Plattform, um sich zu messen und um die begehrten Meisterschaftsgürtel zu kämpfen; für viele Teilnehmende definitiv der Höhepunkt ihrer bisherigen Sportlaufbahn.

Am Samstag, den 16. November, standen nicht weniger als 24 Halbfinalkämpfe auf dem Programm. Dass in der Vorwoche bei den Ausscheidungen bereits die Achtel- und Viertelfinal ausgetragen wurden, merkte man in Basel an oft engen Kampfverläufen, die teilweise sowohl auf die eine oder andere Seite hätten ausgehen können. Am Ende qualifizierten sich 12 Boxer und Boxerinnen für die Finalkämpfe am Sonntag den 17. November. Hinzu kamen noch die direkten Finalbegegnungen aufgrund weniger Anmeldungen.

Die Finalkämpfe

Frauen 52 kg – Tanja Schlienger (BC Sissach) vs. Cris Soares (Belkacems Boxing)

Beide Boxerinnen wussten genau was sie erwartet, denn sie kennen sich bereits im Ring. Erst im Oktober trafen Tanja Schlienger und Cris Soares in Sissach bei einem Freundschaftskampf aufeinander, den Soares für sich entscheiden konnte. Soares startete auch jetzt in Basel aktiv und suchte den Vorwärtsgang. Schlienger versuchte im Rückwärtsgang Kontertreffer zu landen. Am besten gelang es ihr in der dritten Runde, die man relativ knapp werten konnte, im Gesamtergebnis hat es jedoch nicht gereicht und die Gewinnerin des Gürtels dieses Jahr mit 0:5 Richterstimmen: Cris Soares.

Frauen 54 kg – Nadia Barriga (BT Basel) vs. Rebecca Brunido (UB Renens)

Im nächsten Frauenkampf des Abends standen sich ebenfalls zwei erfahrene Boxerinnen gegenüber. Nadia Barriga versuchte mit Ihrer langen Führhand ihre Gegnerin auf Distanz zu halten und zu punkten. Dies klappte trotz der längeren Reichweite nicht immer. Die erste Runde konnte sie noch für sich entscheiden, ab der zweiten Runde kam Rebecca Brunido jedoch mehr und mehr mit ihren Kombinationen im Infight durch. Auch ein Cut, das sich Brunido am Ende der zweiten Runde zuzog, konnte sie nicht mehr stoppen. Sie begann die dritte Runde noch aktiver und drängte Barriga zunehmend aus der Ringmitte. Ein Kampf auf «Messers Schneide», den am Ende mit einem 2:3 zu Gunsten von Brunido ausfiel.

Männer 57 kg – Dorian Lalou (BC Genevois) vs. Awet Andemariam (Boxeo Gym)

Im ersten Männerkampf des Finaltags standen sich zwei noch recht junge Athleten gegenüber, Dorian Lalou selbst startete als jüngster Athlet der Meisterschaft mit einer Ausnahmegenehmigung. Dies, da er theoretisch noch im letzten Jahrgang der Jugend gelistet ist. Das hinderte ihn aber nicht daran bereits von Anfang an Druck zu machen und den Kampf zu bestimmen. Beide Athleten nahmen sich nichts, schlugen harte Hände, wobei Lalou jedoch meist eine Hand mehr im Ziel hatte. Nach einer harten Schlaghand in Runde eins, das zum Anzählen führte, ging Runde zwei wieder beherzt los. Beide wichen nicht aus und stellten sich dem Nahkampf mit teils offener Deckung. Dies wurde Awet Andemariam jedoch zum Verhängnis, da er zweimal eine Harte Schlaghand kassierte und nach dem dritten Anzählen aus dem Kampf genommen wurde. Lalou sicherte sich den Titel somit durch RSC-H in der zweiten Runde.

Frauen 60 kg – Lena Kowal (BT Thun Oberland) vs. Daniela Pizzichemi (BG Bern)

Ziemliches Pech hingegen hatte Lena Kowal aus Thun. Sie stellte sich ihrer Gegnerin Daniela Pizzichemi aus Bern und landete von Begin an technisch gute Treffer. Sie lag in Runde eins nach Punkten zwar in Führung, zog sich bei einem Sturz zum Ende der Runde jedoch eine Verletzung am Knie zu (Kreuzband) und musste den Kampf daher auf anraten des Ringarztes naturgemäss beenden. Siegerin durch RSC-I (Verletzung): Pizzichemi, der man die Emotionen des Sieges deutlich ansah.

Männer 60 kg – Kevin Pluas (BC Zürich) vs. Nahom Anday (BK Boxring Bern)

Der nächste Kampf zeigte einen ersten technischen Höhepunkt des Tages. Ein sauberer, fairer Kampf mit zwei gut ausgebildeten Boxern. Kevin Pluas drückte stets nach vorne, kam jedoch nicht immer durch mit seinen Kombinationen. Nahom Anday landete hingegen im Gegenangriff meist einen Konter mehr im Zielbereich. Auch das Wechsel der Auslage seitens Pluas hat das Endresultat nicht verhindern können. Sieger nach Punkten mit 1:4 Richterstimmen: Nahom Anday.

Frauen 63 kg – Marie Gautier (Boxygene Academy) vs. Anna Jenni (BT Basel)

Die Partie zwischen Marie Gautier und Anna Jenni zeigt bereits in der ersten Runde, wo die Reise hingehen sollte. Jenni startete dominant aber technisch trotzdem souverän. Man merkt ihr die grössere Erfahrung im Ring an. So punktete sie von Runde zu Runde und bestimmte das Kampftempo und die Laufrichtung von Gautier. So war auch ein zwischenzeitliches Anzählen von Gautier nur berechtigt. Gautier biss sich jedoch beherzt bis zum Ende durch, musste sich dann aber mit 0:5 Richterstimmen nach Punkten geschlagen geben. Stolze Schweizermeisterin in dieser Kategorie: Anna Jenni.

Männer 63.5 kg – Marwan Maslard (CL Lausanne) vs. Yanis Medina (FMA Boxing)

Der nächste Höhepunkt bahnte sich an. Marwan Maslard, der sich letztes Jahr sensationell in Payerne als jüngster Boxer im Turnier den Titel holte, stellte sich dem technisch sehr versierten Gegner Yanis Medina. Insider wussten bereits vorher, dass dies eine harte Aufgabe für Maslard werden sollte. Beide Boxer schenkten sich nichts, wichen keinen Zentimeter zurück. Auf beiden Seiten gab es gute Kombinationen, wobei Medina dem Angriff oft durch geschickte Meidbewegungen auswich. Maslard hingegen war teils zu offen und kassierte trotz häufigerem Vorwärtsgang die etwas härteren Treffer, die Medina zielgenau platzierte. So ging der Sieg mit 0:5 dieses Jahr in die blaue Ecke zugunsten Yanis Medina. Ein Re-Match wäre sicherlich sehenswert.

Frauen 66 kg – Angela-Mia Mury (Lausanne BI) vs. Angela Scherer (Bäreboxclub Bern)

Im letzten Frauenkampf des Abends suchte Angela-Mia Mury die Ringmitte und versuchte mit diversen Kombinationen ihre Gegnerin Angela Scherer zu stellen. Scherer landete zwar teils Kontertreffer, diese wurden aber wiederum direkt mit einem Gegenangriff quittiert. Technisch nicht ganz so herausragend wie andere Kämpfe, jedoch beherzt ging der Kampf weiter. Erneute Gegentreffer konnte Mury teils mit Klammern unterbinden. Am Ende entschieden sich die Punktrichter einstimmig mit 5:0 für Mury, die den Meistergürtel freudig entgegennehmen durfte.

Männer 67 kg – Mojtaba Sharifi (BC Glattbrugg) vs. Cedric Rentschler (Bf Perspective)

In der nächsten Männerkategorie konnte man bis zum Schluss nicht sicher sein, wer sich den Sieg nach Hause holt. Die erste Runde ging beherzt los, mit guten Kombinationen von Körper- und Kopftreffern beiderseits. Cedric Rentschler ging nach vorn, Mojtaba Sharifi versuchte zu kontern. Runde eins konnte man, dank einiger Treffern mehr getrost Rentschler zuschreiben. Ab Runde zwei drehte sich das Blatt jedoch. Die Anzahl an sauberen Treffern war nun auf Sharifis Seite und die dritte Runde sollte die Entscheidung bringen. Hier wartete Sharifi jetzt nicht mehr den Angriff des Gegners ab sondern suchte beherzt den Beginn von Aktionen. Das zahlte sich aus, denn am Ende ging der Sieg mit 5:0 Richterstimmen in die rote Ecke und somit neuer verdienter Schweizermeister: Mojtaba Sharifi vom BC Glattbrugg.

Männer 71 kg – Gian Gmünder (SR St. Gallen) vs. Donald Adjekum (CP Carouge)

Erneut eng wurde es im Gefecht wischen Gian Gmünder und Donald Adjekum. Wieder ein klassisches Beispiel für zwei komplett unterschiedliche Kampfstile. Adjekum drückte konsequent nach vorne, Gmünder wich aus und konterte. Optisch war Adjekum, auch aufgrund des Drucks, den er aufbaute, überlegen und bestimmte die Laufrichtung des Gegners. So ging es Runde für Runde, wobei sich Gmünder teils durch Klammern schützen musste. Bei der reinen Anzahl Treffer war es jedoch nicht so eindeutig, da Gmünder, wenn auch im Rückwärtsgang, viele Treffer landen konnte. So war man selbst am Punktrichtertisch gespannt auf wen man sich am Ende als Sieger einigen konnte. Am Ende sicherte sich Adjekum mit einem sehr knappen 2:3 Entscheid den Titel. Auch hier würde ein Re-Match wahrscheinlich gerne gesehen.

Männer 75 kg – Alpha Käser (CB Olten) vs. Mohamed Kamara (Boxing Factory)

Mohamed "Frazier Style" Kamara, ein sehr offensiver Boxer, machte von Beginn klar was sein Ziel war: sich den Gürtel holen. So ging er stürmisch nach vorne und setzte Alpha Käser unter Druck, der sich teils nur mit Mühe den Kombinationen entziehen konnte. Bis auf eine sehr gute Aktion seitens Käser zum Ende der zweiten Runde, bei der Kamara harte Treffer einstecken musste, dominierte Kamara den Kampf. Über die Aussenbahn mit Haken sowie zum Körper setzte er Käser zu und konnte sich so dieses Jahr verdient den Meistertitel sichern. Mit 1:4 Richterstimmen Sieger und Schweizermeister: Mohamed Kamara von Boxing Factory. 

VIDEO: "Joe Frazier Style" Mohamed Kamara vs. Alpha Käser 

Männer 80 kg – Manuel Matondo (BC Glattbrugg) vs. Nathan Argyropoulos (BC Genevois)

Ein Gefecht «Kopf an Kopf» im wahrsten Sinne des Wortes. Beide Boxer standen sich nah gegenüber und der Infight bestimmte den Kampf. Beide Boxer zeichnen sich vor allem durch gute Körpertreffer aus. Manuel Matondo jedoch wirkte physisch stärker und brachte etwas mehr Power in die Schläge. Mit ebenfalls immer einer Hand mehr im Ziel setzte er Nathan Argyropoulos zu. Dieser gab jedoch nicht nach und stellte sich bis zum Schluss. Die Punktrichter waren sich am Ende einig und ernannten Matondo mit 5:0 nach Punkten zum neuen Meister.

Männer 86 kg – Leonid Berisha (LMS Boxing) vs. Michael Saurer (BT Thun Oberland)

Drama gehört im Boxen dazu, da sind sich die meisten einig. Oft entscheidet ein einziger Schlag über das Geschehen. Michael Saurer musste diese Erfahrung in Basel machen. Bereits in der ersten Runde gingen beide Boxer beherzt zur Sache. Saurer mit langen Händen, Leonid Berisha den Angriff suchend über die Aussenbahn. Ein leichtes Abknicken von Saurer nach einer Aktion von Berisha führte zum Anzählen des Thuners in der ersten Runde. Kurz nachdem der Kampf wieder freigegeben wurde, landete Berisha einige Schwinger über die Deckung von Saurer worauf dieser zu Boden ging und erneut angezählt wurde. Der Ringrichter entschied daraufhin den Thuner aus dem Kampf zu nehmen, da er diesen als nicht mehr «fit to box» einschätzte. Sieg durch RSC-H daher für den neuen Schweizermeister: Leonid Berisha. Solche Entscheide sind immer schmerzlich, vor allem da Insider wissen, wie sich Saurer auch nach einem Niederschlag wieder «aufrappeln» kann. Ärgerlich für die betroffene Ecke, aber der Entscheid liegt beim Ringrichter, der die Verantwortung trägt, und muss akzeptiert werden.

Männer 92 kg – Dustin Jäger (JS Boxing Chur) vs. Andreas Mazara (NAB Frenkendorf)

Nun kamen die «schweren Jungs». Es war ein wie oft typischer Schwergewichtskampf. Wenig klare Treffer, dafür hart wenn sie das Ziel erreichten. Mehr Einzelhände und wenig Kombinationen auf beiden Seiten. Beide Boxer wussten es auch sich aus heiklen Situationen zu retten, sei es das Abducken von Dustin Jäger oder das taktische Halten von Andreas Mazara. Man merket, dass beide den Sieg wollten und bis zuletzt den einen entscheidenden Treffer suchten. Am Schluss machte sich der Reichweitenvorteil von Jäger bemerkbar und er landete oft eine Führhand mehr im Ziel. Die Punktrichter entschieden mit 5:0 Richterstimmen für den Boxer aus Chur: Schweizermeister im Schwergewicht dieses Jahr Dustin Jäger.

Männer +92 kg – Bence Szabo (NAB Frenkendorf) vs. Janick Moluh (CP Carouge)

Das Finale in der Gewichtsklasse über 92 kg bildete den Abschluss der diesjährigen Meisterschaften. Es war ein Kampf in dem wieder unterschiedliche Boxstile aufeinandertrafen. Bence Szaba, mit Reichweitenvorteilen, boxte in der ersten Runde geradlinig aus der Ringmitte und punktete vor allem mit der Führhand. Janick Moluh hingegen zeigte die bessere Beinarbeit sowie Flexibilität im Oberkörper durch gute Meidbewegungen. Die erste Runde kann man getrost dem Frenkendorfer zusprechen. In der zweiten Runde ging Moluh jedoch vermehrt in die aktive Rolle und versuchte das Kampfgeschehen zu bestimmen. Jetzt musste Szabo teils Halten und Klammern, um die Treffer zu unterbinden. Auch auf Seiten des Boxers aus Carouge wurde es taktischer und die Meidbewegungen endeten vermehrt mit dem Kopf unter den Armen des Gegners. Nach der zweiten Runde war allen im Saal klar, dass die dritte Runde die Entscheidung bringen würde. Man konnte beiden Boxern den Siegeswillen ansehen und die dritte Runde wurde sehr energisch geführt und bei der Verkündung des Urteils war es auf einmal still in der St. Jakobshalle. Am Ende entschieden sich die Punktricher mit einer hauchdünnen Mehrheit von 2:3 für den Boxer aus Carouge. Neuer Meister im Superschwergewicht: Janick Moluh.

Der letzte Kampf bildete nicht nur den Abschluss der Kämpfe sondern Janick Moluh führte mit seinem Sieg den Verein CP Carouge zum Mannschaftsmeister und überholte somit im letzten Kampf noch den BC Glattbrugg, der bis dahin aus Mannschaftssicht in Führung lag und den Pokal sicher wieder gerne mit nach Hause genommen hätte.

Abschliessend darf noch erwähnt werden, dass sich die neue Regel, wonach nur Boxer und Boxerinnen mit mindestens 5 Kämpfen zur Meisterschaft zugelassen werden, bezahlt gemacht hat. Das Niveau war bereits bei den Ausscheidungen hoch und die Kämpfe oft auf Augenhöhe. Vorzeitige Abbrüche bildeten die Ausnahme und die meisten Kämpfe gingen über die Runden. Das führt zu einer grösseren Akzeptanz und Aufwertung der Meisterschaften. Am Ende möchte sicher auch jeder Boxer behaupten können für den errungenen Titel «die besten Gegner» geschlagen zu haben.

Alles in allem bildete die Meisterschaft für die Amateure wieder das Highlight zum Ende des Jahres und der ein oder andere Gürtel wird sicherlich zu Weihnachten eine besonderen Deko Platz erhalten zuhause.

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