Vető und Obenauf mit klugem Boxen zum Sieg in Bern

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03.10.2016 12:53 Uhr

02.10.2016 - (Bericht: Ueli E. Adam, Bilder: Gérald Kurth) Es floss viel echtes Blut im Kubus, dem Provisorium des Stadttheaters Bern. Und selten war der dadurch entstehende Eindruck so falsch wie an diesem Abend. Im Gegenteil: Die einheimischen Profis Gábor Vető und Viviane Obenauf boten Faustgefechte auf hohem strategischem Niveau, fair und fern von jeglicher Prügelei.

Nach zurückhaltendem Beginn setzte Vető seine Rechte immer öfter ein, um so seinen Gegner in knackigen kurzen Kombinationen auszupunkten. Auch wenn es nicht zum Kampfabbruch gekommen wäre, hätte der von Geri Staudenmann gemanagte Berner seinen Gegner aus Tansania auf den Punktzetteln klar distanziert. Vető ist nach seinem Comeback im Frühling und dem mittlerweile 30. Kampf als Profi noch immer unbesiegt.

Der Kampf zwischen Viviane Obenauf und Karina Kopińska war zu keinem Zeitpunkt so brutal, wie es der Anblick der blutüberströmten Polin ab Beginn der zweiten Runde suggerierte: Leider musste Kopińska nach einer unglücklichen Kollision mit einem klaffenden Cut an der Stirn boxen und war in Gesichtsfeld und Reaktion sichtlich eingeschränkt. Obenauf nützte das Handicap ihrer blutüberströmten Gegnerin aus und setzte mit wohl dosierten Attacken immer wieder gezielte Treffer auf die Wunde.

Die erfolgreichen Berner Professionals fuhren ihre Siege in ungewohnten Rahmen ein: Initiator und Veranstalter Leander Strupler hatte mit Konzert- und Operndirektor Xavier Zuber von Konzert Theater Bern zusammengespannt, um das erste Event unter der Affiche „Kultur im Ring“ zu veranstalten. Und so durfte das Boxpublikum in den Kampfpausen Solisten, Tänzer und Chor des Berner Stadttheaters in Opernszenen und Einlagen erleben, in denen buchstäblich der ganze Ring ausgelotet, die brutale Tragik des Preisboxens wunderbar mit süffiger Clownerie kontrastiert wurde.

Dieses Konzept war nicht ohne kommerzielles Risiko. Der Plan der Veranstalter ging jedoch auf: Die über 500 Zuschauer erlebten einen – aus Sicht der einheimischen Profis - sportlich durchwegs erfolgreichen Abend. Und wer weiss: Vielleicht war unter den zahlreichen Zusehern sogar der eine oder andere Opernfan, der seine Freude an der Dramaturgie des Kunstschlagens entdeckt hat...?

 

Die Kämpfe der einheimischen Profis

Juniorweltergewicht

Gábor Vető (UNG/CH) vs. Mfaume Ahmad Said (TNZ)

Der Wahlberner Vető hatte im Mai nach vierjähriger Kampfpause sein erfolgreiches Comeback als Professional gegeben. Nun stieg er zum ersten Mal vor heimischem Publikum in den Ring. Und machte sofort einen konzentrierten Eindruck: Zu Beginn kundschaftete Vető seinen Gegner aus Tansania erst einmal in aller Ruhe aus und registrierte sofort, dass dieser nicht nur die Schläge flink auspendelte, sondern durchaus auch noch aus der unteren Etage gefährlich zustechen konnte. Vető blieb deshalb konsequent lang und schlug vorerst nur einzelne Jabs, meist zum Kopf, gelegentlich auch zum Körper. Said war flink und bot kaum Angriffsfläche. Das änderte sich ab der dritten Runde: Vető erhöhte nun die Pace und schlug immer öfter auch die Rechte , wenn er die Chance dazu erspähte. Eine schnörkellos vorgetragene Kombination schloss er mit einem präzisen Treffer an die Schläfe Saids ab, der leicht verzögert einknickte. Der Tansanier kam zwar problemlos wieder hoch, wirkte aber doch beeindruckt. Vető liess sich aber auch jetzt nicht zu überstürzten Angriffen verleiten. Im Gegenteil: Er erhöhte weiterhin sanft seine Trefferquote, ohne allzu viel Druck aufzusetzen. Dies aber auch im Wissen darum, damit am Ende auf den Punktzetteln vorne zu liegen. Aber so weit kam

es nicht: Zu Beginn der sechsten Runde brach Ringrichter Beat Hausammann den Kampf zurecht ab, weil Said sich offensichtlich am rechten Oberarm verletzt hatte und nicht mehr weiter boxen konnte.

Es war kein glanzvoller Sieg. Aber Vetős offensichtliche strategische Disziplin und taktische Anpassungsfähigkeit geben zu berechtigten Hoffnungen Anlass: Die unaufgeregte Art, mit der er die von Coach Berki vorgegebene Marschroute umsetzte, war Ausdruck von grossem Selbstvertrauen. Wenn er diese in Zukunft auch in Fights gegen offensiv ausgerichtete Puncher beibehält, die ihn unter Druck setzen können, dann kann Vetős Weg noch sehr weit führen. Zu wünschen wäre es dem sympathischen und bescheidenen Berner in jedem Fall.

 

Leichtgewicht

Viviane Obenauf (CH) vs. Karina Kopińska (POL)

Die am Brienzersee lebende Obenauf bekam eine riesige Kämpferin vorgesetzt. Die aus Oberschlesien angereiste Kopińska machte unmissverständlich klar, dass sie nicht zum Verlieren nach Bern gekommen war: Sofort setzte sie die Einheimische unter Druck, war wendig, schickte trockene Jabs zum Kopf oder hatte auch beim Kontern immer noch eine Hand im Ziel. Leider wurde dieser schnelle und auf hohem technischem Niveau geführte Frauenkampf nach dem Gong zur zweiten Runde beeinträchtigt, als sich die Polin im Clinch einen üblen Cut an der Stirn holte. Ein Kampfabbruch drohte, aber die bravourös kämpfende Kopińska ging bis zum bitteren Ende. Obwohl vom strömenden Blut sichtlich behindert, marschierte sie weiter nach vorne. Obenauf aber nützte den entstandenen Vorteil gnadenlos aus: Ohne alles auf eine Karte zu setzen, lancierte die Berner Oberländerin immer wieder gut vorbereitete Angriffsserien, in denen sie Kopińska staccato mit beiden Händen eindeckte. Entscheidend war, dass sie, im Gegensatz zu früheren Auftritten, nach solchen Angriffen nicht stehenblieb und sich abkontern liess, sondern rechtzeitig rausdrehte. So nahm Obenauf trotz des aufsässigen Kampfstils ihrer Gegnerin und begünstigt durch deren Verletzung nur wenig Treffer. Ein insgesamt sehr überzeugender Auftritt Obenaufs, der in der Einzelwertung der Kampfrichter auch korrekt abgebildet wurde:

Domenico Gottardi: 59:54 (Obenauf)
Peter Stucki: 60:54 (Obenauf)
Thomas Zimmermann: 59:54 (Obenauf)

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