Bericht IOC World Qualifier 1 „road to paris 2024“ in Busto Arizio / Italien

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11.03.2024 21:18 Uhr
Christina Nigg / Federico Beresini / JS


Delegation
:
Amir Orfia, Präsident SwissBoxing, Christina Nigg, Delegationschefin und Coach, Federico Beresini, Nationalcoach, Dr. Davide Bianchi, medical und cutmen. 

Team: Ana Milisic EW57m Anna Jenni EW60, Seifeddine Letaief EM57, Adam Messibah EM71 (kurz vor Abreise medizinisch verhindert). 

Als allererstes muss allen LeserInnen klar gemacht werden, dass für dieses Qualifikations-turnier spezielle Voraussetzungen gelten: 

  • Es treten weltweit die Besten der Besten an und im TeilnehmerInnenfeld sind keine „no names“. Alle verfügen über ein grosses Erfolgspalmarès an Grossanlässen wie EM, WM

  • 113 Teams, 602 BoxerInnen die für 49 Quotenplätze kämpfen

  • 2 Ringe, 3 sessions pro Tag über 9 Tage

  • 500 Coaches und Officials.

  • Die Refrees und Juges wurden über ein Jahr mit einem neuen System überprüft (Evaluator Perfomance System). Nur die allerbesten wurden ausgewählt: o 85 sind im pool, davon die Top 15
    o Pro Ring 1 „Evaluator“ der die J&R bewertet, o Jede Runde werden die J&R bewertet, o Auch die „Evaluators“ werden nochmals von einem übergeordneten „Evaluator für evaluators“ bewertet. 

Die Regeln sind streng, die Kontrollen überall. Ohne Akkreditierung und den „Tagespass“ ist nirgends Zugang. 

Die Kontrolle vor dem Kampf mit Dress-Check, Handwraps müssen abgenommen und signiert werden, Handschuhe von den Supervisorinnen abgeklebt werden. Kurz vor dem Einmarsch nochmals eine Kontrolle, Zahnschutz, Wasser, Akkreditierungen usw. – dann bei jedem Quergang Richtung Ring nochmals ein Check.  

EW57: Total 36 Boxerinnen 

03. März 2024

Ana Milisic startet in den Preliminaries „round of 64“gegen Leilany Reyes aus Guatemala mit einem siegreichen Kampf. Sie hielt die kämpferische Reyes gut auf Distanz und hielt die taktische Linie konsequent und fokussiert um und konnte so auch schwierige Situationen souverän überbrücken. Somit war sie für die nächste Runde qualifiziert und die erste Hürde geschafft. 

07. März 2024

Mit Julia Szeremeta aus Polen stand die nächste Gegnerin in den Preliminaries „Round of 32“ bereit. Ana Milisic wusste, dass dies ein mentales und taktisches Gefecht geben würde. Leider fand sie nie richtig in die richtige Kontaktzone, in der sie vorteilhaft mit langen Geraden arbeiten hätte können. Die bewegliche Polin (U22 Europameisterin 2023) war stets einen Tick schneller. Trotz Wechsel der Taktik in Runde 3 konnte Ana den Kampf nicht mehr zu ihren Gunsten drehen und schied aus. Ana trug es mit starker Fassung gegen aussen, trotz der inneren Enttäuschung, die auch sie zuerst verarbeiten muss. 

Ana Milisic kann jedoch mit erhobenem Haupt und innerem Stolz nach Hause reisen auf diesem Niveau ihr Können demonstriert zu haben. Sie war bereits wieder fokussiert und strebt die WQ2 und deren Vorbereitung an.  

EM57: Total 52 Boxer

04. März 2024

Seif Letaief startet in den Preliminaries „round of 64“ gegen den Armenier Artur Bazeyan und zeigte eine gute erste Runde. Aufgrund des „Gewichtsverlustes“ baute Seif jedoch bereits in der zweiten Runde stark ab und verlor den Kampf klar nach Punkten.

Trotz seines unbestrittenen boxerischen Talents, das er auch hier aufblitzen liess, kommt dieser Box-Level für ihn noch zu früh. Wir lassen ihm die Zeit sich entwickeln zu können und seine Zukunft zusammen mit seinem Clubtrainer Gabriel Viltre genau zu planen. Er scheidet aus dem Team „road to Paris 24“ aus. 

Diesem jungen Boxer stehen noch viele Türen offen und wir freuen uns auf seine weitere Karriere.

 

EW60: total 42 Boxerinnen

06. März 2024 

Anna Jenni trifft mit einem BYE (Freilos) auf Laura Akram, Pakistan, die am Kampftag ein WO (Walk Over) einlegt, sodass Anna Jenni kampflos in die Preliminaries „round of 16“ nach vorne rutscht. 

***
Bericht dazu von Nationaltrainer Federico Beresini

Es war nicht so, wie es hätte sein sollen. Die Olympiaqualifikation in Busto Arsizio hinterließ bei Anna Jenni und ihrem Team einen "bitteren Beigeschmack". Gegen die hoch eingeschätzte süd-koreanische Boxerin OH Yeon-ji (Bronzemedaillengewinner bei den Weltmeisterschaften 2018, 2023, Goldmedaillengewinner bei den Asienspielen 2018 und Goldmedaillengewinner bei den Asienmeisterschaften 2015, 2017 und 2022), zeigte die Schweizerin zweifellos den besten Kampf ihrer Karriere. Entschlossen begann sie vom ersten Moment des Kampfes an, die Koreanerin unter Druck zu setzen und beendete die erste Runde mit einer 4:1-Führung.

Die zweite und dritte Runde verliefen dann scheinbar ausgeglichen, aber die Kampfrichter gaben der Koreanerin in den folgenden Runden den Vorteil (2:3 und 1:4). Am Ende entschied das Urteil zu Gunsten von Oh Yeon mit einem mageren Punkt (3:2), der unserer Meinung nach ohnehin unverdient war. 

Natürlich ist die Enttäuschung über dieses Ergebnis sehr groß, aber man muss es akzeptieren. Anna Jenni hat dennoch gezeigt, dass sie bereit ist, auf hohem Niveau zu kämpfen. Technisch und taktisch hat sie sich stark weiterentwickelt, was auch ein Zeichen für ihre Entschlossenheit ist, sich mit den besten Boxerinnen der Welt zu messen. Darüber hinaus ist ihr weiteres Potenzial noch sehr gross.

Unmittelbar nach dieser Niederlage bereitet sie sich bereits auf ihren nächsten Event, die Europameisterschaft in Zagreb, vor.  

Im Sport 'schmerzen' Niederlagen, vor allem solche wie diese. Aber man weiß auch, dass Opfer sich lohnen. Diese Erfahrungen können einen nur stolz machen und einem ins Bewusstsein führen, dass die positiven Ergebnisse sicher kommen werden. 

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Die Koreanerin schied im nächsten Kampf gegen die Holländerin Chelsey HEIJNEN  aus und erreichte auch keinen Quotenplatz. 

Fazit

Hier zählen schlussendlich die nackten Resultate und nicht wie sie zustande kamen, knapp oder eindeutig. Gewonnen ist eine Runde weiter, verloren ist die Hoffnung weg. Es ist eine enorme Herausforderung einer der 124 Quotenplätze sichern zu können.  

Unsere Boxerinnen haben alles investiert, und das seit 2020. Konsequent, zielgerichtet und zielorientiert mit überdurchschnittlichem Einsatz, Engagement in allen Bereichen ohne zu wissen wie es am Ende ausgehen wird. Es ist hart, diesen Weg zu gehen und die Enttäuschung entsprechend gross und emotional. 

Genau dieser Weg hat sie aber zu dem gemacht was sie heute sind, boxerisch weiterentwickelt um auf der Weltbühne zu performen. Nicht nur Schweiss und Verzicht auf alles Mögliche, finanzielle Aufwände, soziale Einschränkung und noch Vieles mehr. Ihnen soll unser grösster Respekt gelten und ich verneige mich vor jeder Leistung. 

Anna Jenni bringt es auf den Punkt: „in der Schweiz ist gewinnen Normalität und Niederlagen eine Seltenheit. Das ändert sich, wenn man dann auf internationalem Topniveau antritt; da ist das Gewinnen eine Ausnahme und verlieren gewinnt an Normalität“.  

Die Schweizer Boxszene sollte sich diese Aussage stets vor Augen halten. Unsere „bescheidenen“ Mittel, ob jetzt das an Qualität und Quantität aller BoxerInnen gemessen wird oder auch an den wenigen Unterstützungsmöglichkeiten des Verbandes ist schlussendlich einfach eine reale Tatsache.

Seien wir stolz auf auf unsere Leaderinnen und Leader des Swiss Boxing Teams, die unser Land ehrenvoll und mit überdurchschnittlichen Leistungen vertreten.  

Es steht noch ein leztes Qualifikationsturnier in Bankok an, auch da sind die Quotenplätze nur mit einem Einzug in die Halbfinale/Finale zu holen. Je nach Gewichtsklasse. Zeitnah werden wir evaluieren und kommunizieren. 

Zuletzt danke ich allen, die das kleine Delegationsteam vor Ort unterstützt haben. Amir Orfia, Präsident, mit kommunikativen und kooperativen Massnahmen nebst seiner Präsenz an den Kämpfen. Dr. Davide Bianchi für seine medizinische Überwachung und die professionellen „handwraps“. Federico Beresini für die sportliche Vorbereitung und Betreuung vor Ort und sein grosses Engagement für das SBT.

Schlussendlich den grossartigen Support von Rajko Bojanic (BC Glattbrugg) der extra mit seiner Familie angereist ist und lautstark angefeuert hat. Sandra Brügger, unsere erfahrenste Boxerin und jetzt Wettkampftrainerin, die zusammen mit Betim Osmani ebenfalls äusserst wertvolle und grossartige Unterstützung bot. Ihnen allen gehört meine persönliche Wertschätzung für ihren „Spezialeinsatz“ vor Ort.
 

Sportliche Grüsse

Christina Nigg


Boxing Road to Paris

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