Angelo „The One“ Peña lässt sich auf Abnützungskrimi ein

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30.03.2024 14:56 Uhr
Gérald Kurth / JS

Das Beste kommt zum Schluss. Das dachte sich auch Angelo Peña im letzten Kampf des Abends vor seinen begeisterten Fans im Berner Stadttheater. Nachdem er  seinen brasilianischen Gegner Costa schon in der ersten Runde auf die Bretter geschickt hatte und alle den sofortigen Knockout erwarteten, liess er sich auf einen spektakulären Abnützungskampf ein. Zur allgemeinen Überraschung kam der Mann aus Sao Paolo im Kampfverlauf immer mehr auf und bot in einem von beiden Seiten erbittert geführten Abnützungskampf eine beherzte Vorstellung.

Angelo Peña verdiente sich aber den Punktesieg, auch dank bislang unbekannten Nehmerqualitäten. Er war nach dem Fight bestens aufgelegt und unterstrich, er habe Spass gehabt und sei vor allem über die Runden gegangen, um dem Publikum eine gute Show zu bieten.

Promotor Leander Strupler hat mit seinem Team von Swiss Pro Boxing einmal mehr einen hervorragenden Kampfabend in grossartiger Atmosphäre auf die Beine gestellt und war ebenfalls zufrieden. Strupler hat erneut eindrücklich bewiesen, dass er in der Schweiz der Mann für die ganz grossen Kisten ist. Er vermag selbst am Osterwochenende und bei besten Schneeverhältnissen noch das Berner Stadttheater zu füllen. Dass die Qualität der Profikämpfe diesmal nicht allen Ansprüchen genügen konnte, ist Berufsrisiko. Die Freundinnen und Freunde des Kunstschlagens wurden aber mit drei hervorragenden Fights im olympischen Boxen durchaus entschädigt. Die Amateurin und die Amateure lieferten verheissungsvolle Vorstellungen ab. 

Profikämpfe 

Superfeatherweight (10 x 3)

Angelo Peña (CH) – Eduardo Costa do Nascimento (BRA) 

Hut ab vor beiden Boxern, die ein fürs Publikum unglaublich attraktiven Fight in höchster Intensität boten. Die Punktewertungen (97:92, 97:92, 96:93) zu Gunsten des Schweizers bilden das Kräfteverhältnis absolut korrekt ab. Beide perfekt austrainiert, schlugen sie zehn Runden lang fast pausenlos. Zumeist Kopf an Kopf stehend, brannten sie ein wahres Feuerwerk an Aufwärts- oder Seitwärtshaken ab. Der Verlauf war bemerkenswert: Kaum jemand hätte in der ersten Runde noch einen Pfifferling auf Eduardo Costa do Nascimento gewettet, als er nach Peñas perfekt platzierten Wirkungstreffer zu Boden musste. Er rettete sich aber nicht in die Pause, um sich danach endgültig hinzulegen. Im Gegenteil: Costa schlug zunehmend präziser als Peña und sammelte Punkte. Der Ostermundiger bewies aber, dass er im knallharten Sparring in Las Vegas seine Nehmerqualitäten entwickelt hat. Konditionell ohnehin perfekt, konnte er auch die vielen guten Hände des Brasilianers wegstecken. Er hätte definitiv noch lange weiterboxen können. Peña bleibt auch nach Treffern stabil, kann den Kampf je nach Bedarf beschleunigen oder einen Gang runterschalten und sich auf vereinzelte Konter beschränken. Der als Kämpfer gereifte Publikumsliebling sollte aber auch unsportliche Aktionen unterlassen, zu denen er sich in der Hitze des Gefechts hinreissen lässt. Er kann zum Glück anders: Nach seinem verdienten Punktesieg umarmte er seinen Gegner herzlich und versöhnlich. Diesen Angelo will das Publikum sehen, wenn es in der Rangliste weiter aufwärts und in Richtung Titelkampf bei einem der grossen Weltverbände gehen soll.

Middleweight (8 x 3)

Ramadan Hiseni (CH) – Artjom Razhik (POL)

„Humble Hungry Hiseni“ siegte gegen einen aufsässigen, einen Kopf kleineren Gegner nur ganz knapp (Mehrheitsentscheid). Diese vertretbare Wertung war letztlich das Ergebnis davon, dass Hiseni kaum je Kombinationen konsequent vortrug und abschloss.  Im Gegenteil: Mal für Mal wurde er vom wuseligen Artjom Razhik vor allem mit schnellen Händen zum Körper bedrängt. Hiseni wirkte in der Tat „demütig“, aber nicht hungrig.  Er ist kein Puncher, aber ein feiner Techniker und müsste deshalb gegen einen solchen Gegner aus der Distanz Punkte sammeln. Das gelang zu selten. War die Distanz mal überwunden, endeten die Angriffsaktionen sehr oft in der gegenseitigen Umklammerung.

Light Flyweight (10 x 2)

Gabriela Timar (CH) – Sarafina Bela (TZN) 

Ein wenig inspirierender Kampf, man muss es so sagen. Erstaunlich war insbesondere, wie wenig Gabi Timar aus ihrem Potenzial macht. Perfekt austrainiert und ausgezeichnet zu Fuss, kämpft sie oft in eigentümlicher Distanz zur Gegnerin. Gegen eine letztlich eher bescheidene Sarafina Bela müsste Timar, immerhin amtierende Championne der IBO, viel öfter treffen und dominieren. Kaum je zog sie eine Schlaghand durch, was gerade bei einer oben häufig offenen Kontrahentin das passende Rezept gewesen wäre. Das zeigte sich erst am Ende des Kampfes, als Timar ihre Gegnerin mühelos mehrfach oben durch die Mitte abkonterte. Coach Angelo Gallina kann bestimmt in der Zusammenarbeit mit seiner Frontrunnerin noch nicht abgerufenes Potenzial zu Tage fördern.

 

Die Geschichte der anderen Profikämpfe ist schnell erzählt:

Der Kampf zwischen dem Tessiner Georgi Svechev (CH) – Artjom Popovici (MLD) im Light Heavyweight (6 x 3) war eine wenig inspirierende Klammerorgie. Der Moldawier „glänzte“ zudem durch die eine oder andere Nickligkeit, gegen die Svechev kein Rezept fand. Sein einstimmiger Punktesieg ist aber nur dann etwas wert, wenn er in Zukunft gegen solche destruktive Gegner beweglicher agiert und Rezepte findet (Deckung herunterziehen durch Körpertreffer u.ä.).

Der anfangs fast humoristisch anmutende Kampf zwischen Ahmad Shtiwi (ISR) und Cosmas Cheka (TZN) im Light Heavyweight (6 x 3) erhielt unvermittelt eine martialische Note: Nach einem unabsichtlichen Kopfstoss des zuvor durch seine in alle Richtungen zuckenden Schläge aufgefallenen Tansaniers hatte Shtiwi plötzlich einen klaffenden Cut über dem linken Auge. Aufgrund der starken Blutung rechnete man mit einem Kampfabbruch. Und am meisten selber wohl Shtiwi, der Mann aus Nazareth. Fast blind zwang er mit einem krachenden Leberhaken Cheka in die Knie – K.O. genau am Ende der 3. Runde!

 

Jugend- und Elitekämpfe (alle 3 x 3 min) 

Die Elite- und Jugendkämpfen boten zum Auftakt ausnahmslos gutes, faires und diszipliniertes Boxen. Anna Jenni überzeugte gegen Donatella Ferrante vor allem durch zwei Trümpfe: ausgezeichnete Beinarbeit (unablässiges Bouncen) und ein agiler Jab. Damit überwand sie Mal für Mal die Distanz zur Gegnerin und schloss, oft auch nach geschicktem Antäuschen, ihre technisch sauberen Kombinationen ab. Eine stilsichere Boxerin, die in diesem Jahr zwei grosse Ziele vor Augen hat, nämlich Olympia und die EM in Serbien.

Der Jugendkampf zwischen Mohamed Nasani (Boxing Kings Bern) und John Alesi (OBC Genève) war schnell, fair und technisch schon auf sehr gutem Niveau. Der Berner schlug fleissiger und etwas härter, was letztlich den Ausschlag zu seinen Gunsten gab.

Ein besonderes Erlebnis war – einmal mehr - der Kampf von Jimmy Beckert: Der in Genf ansässige junge Franzose gehört zum Besten, was man seit einiger Zeit auf Amateurstufe in Schweizer Boxringen zu Gesicht bekommt. Er lieferte gegen den ebenfalls soliden Koray Öçal - mit fast identischer Kampfanlage aus Stuttgart angereist - wieder eine Vorstellung ab, die sich gewaschen hat. Handspeed, Schlaghärte, Variabilität, Instinkt, Präzision – Beckert verfügt über ein ganz erstaunliches Potenzial und hat alle Anlage zum kompletten Boxer. Auch deshalb erstaunt es nicht, dass er nach dem Datum für seinen ersten Profifight gefragt wurde. Beckert hielt sich bedeckt: Vielleicht 2024? Oder doch 2025? „À voir...“ Veranstalter Strupler merkte launig an, dass Beckert durchaus bald als Profi auflaufen dürfte. Als Interviewpartner hätte er aber noch Luft nach oben...

 Angelo Pena beim Walk-in

 

 

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